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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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überrascht; ihr Mund öffnete und schloss sich wieder. Dann ging alles rasend schnell. Luise rannte mit ihrem brennenden Kienspan auf sie zu, schrie: «Zu Hilfe! Die Hexe ist gekommen. Die Hexe aus Stuttgart.» Wie auf Kommando sprangen zwei verwahrloste Gestalten aus der Scheune, ein Mann und eine junge Frau, und packten Agnes bei den Armen, Luise hörte nicht auf zu brüllen: «Ins Feuer mit der Hexe!», immer wieder schrie sie es. Agnes spürte die Hitze des Kienspans vor ihrem Gesicht, zischend ging ihre Stirnlocke in Flammen auf, die Beine sackten ihr unter dem Körper weg, sie wurde zu der Feuerstelle geschleift, die jetzt trotz des Nieselregens munter flackerte, aus der Ferne Pferdewiehern, Luises Augen voller Hass und Wahnsinn, dazu ihr schallendes Gelächter, dann ein gellender Schrei, der aus ihr selbst zu kommen schien, als ihre Beine durch die zuckenden Flammen streiften.
    «Rudolf!»
    Im nächsten Augenblick kippte sie nach hinten weg und schlug schmerzhaft mit dem Hinterkopf gegen etwas Hartes. Aus dem Augenwinkel sah sie den Mann zu Boden gehen, über ihm Rudolf, der ausholte und ein weiteres Mal zuschlug, um seinen Prügel dann gegen die Brust der jungen Frau zu schleudern. Mit einem Gurgeln klappte die zusammen, und damit herrschte Stille. Nur das Knistern des Feuers war zu hören.
    Agnes hob langsam den Kopf. Rudolf starrte auf die zusammengekrümmten Leiber am Boden, Luise stand zehn Schritte entfernt und zerrte an ihren Haaren. Dann stieß sie ein Wolfsgeheul aus, das Agnes durch Mark und Bein ging.
    «Verschwinde, sonst erschlag ich dich auch noch.» Rudolf umklammerte seinen Schlagstock.
    «Sie wird dem Feuer nicht entgehen, ich hab’s Gott dem Allmächtigen geschworen.» Luises Stimme überschlug sich. «Und alle hier im Tal wissen, was für eine sie ist, allen habe ich es erzählt. Sie hat das Fräulein von Württemberg verhext.»
    Mit einem letzten Fluch drehte sie sich um und stürzte davon, den Hang hinauf, bis sie im Wald verschwunden war.
    Rudolf kniete sich neben Agnes. «Bist du verletzt?»
    «Ich weiß nicht.»
    Mühsam richtete sie sich mit Rudolfs Hilfe auf. Ihr linker Knöchel oberhalb des Schuhs brannte, ihr Kopf schmerzte.
    «Das schöne Kleid.» Sie betrachtete den angesengten Saum ihres Rockes.
    «Kannst du gehen?»
    «Ja.»
    An der Seite ihres Gefährten humpelte sie bis zum Ufer des Baches, wohin sich die beiden Pferde geflüchtet hatten und jetzt gierig tranken. Sie setzten sich unter eine Weide, und Rudolf streifte ihr behutsam die Schuhe von den Füßen. Agnes schrie auf, als das kalte Wasser ihre Knöchel umfloss. Dann schloss sie erschöpft die Augen.
    «Das war doch nur ein böser Traum, oder?»
    «Nein. Ich fürchte, ich habe den Mann und die Frau erschlagen. Ich will nachsehen, ob die beiden noch am Leben sind. Warte hier.»
    «Bitte nicht!» Agnes klammerte sich an ihn. Sie begann zu zittern. «Ich habe solche Angst. Lass uns weiterreiten.»
    «Einverstanden.»
    Es hatte aufgehört zu regnen. Unter dem dunklen Wolkenband verschwand eine glutrote Sonne hinter den Hügeln. Sie fanden einen verfallenen Unterstand in den Weinbergen, in dem sie zusammengekauert gerade eben Platz fanden.
    «Es – es war furchtbar, Rudolf. Wenn du nicht gewesen wärst.»
    «Sprich nicht davon, Agnes. Bitte.» Er drückte sie fest an sich. «Und jetzt iss etwas, das wird dir gut tun.»
    Er reichte ihr das letzte Stück Trockenfleisch, doch Agnes schüttelte den Kopf.
    «Es klang wie ein Fluch, den Luise über mich verhängt hat», sagte sie leise. «Was, wenn sie zauberische Kräfte hat?»
    «So ein Unsinn. Jetzt fängst du selber schon so an. Du musst das alles vergessen. Die Wirrnisse dieses Krieges haben sie verrückt gemacht, genau wie die Alte aus Waiblingen.»
    «Nein, Rudolf, Luise hat ja nicht nur wirr dahergeredet. Man sagt immer, niemand könne dem Erbe seiner Väter entkommen. Und ich trage eben an dem Erbe meiner Mütter. Vielleicht bin ich ja wirklich dazu verdammt, niemals Ruhe zu finden.»
    «Aber was redest du da?»
    «Du weißt so wenig von mir.»
    «Dann ändere das. Sag mir, was dich bedrückt.»
    Agnes lauschte dem Ruf eines Käuzchens. Zögernd begann sie zu erzählen. Wie ihre Großmutter vor vielen, vielen Jahren als Hexe verurteilt und verbrannt worden war, ohne sich jemals im Leben der Zauberei oder Schwarzmagie verschrieben zu haben. Wie dann Jahre später ihre eigene Mutter nur um ein Haar diesem teuflischen Wahn entkommen war und mit ihr, als kleinem Mädchen,

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