Die Gauklerin
standen am Tor zu einer Mühle. Über ihnen, auf einem Bergsporn, erhob sich ein Wehrdorf, gegenüber leuchteten die Mauertrassen eines steilen Weinbergs im Abendlicht. Alles schien so still und friedlich.
Nachdem sie die Pferde in einem Verschlag untergebracht hatten, betraten sie die Stube. Zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder lagerten auf Strohschütten und Bänken. Agnes nahm ihren Hut ab und rieb verlegen die Kohlespuren aus ihrem Gesicht.
«Die beiden hier bleiben über Nacht», beschied ihr Gastgeber, der sich unterwegs als Messerschmied Gallus Renz vorgestellt hatte. «Sie haben mir geholfen, den Hausrat herzuschaffen.»
Die anderen starrten die Fremden ausdruckslos an, nur eine Frau begann zu murren über die unnützen Esser. Ein Hüne von Mann, den linken Arm in einer Schlinge, trat auf Agnes und Rudolf zu.
«Seid willkommen für eine Nacht. Brot kann ich Euch nicht anbieten, alle Getreidevorräte haben sich die Besatzer geholt, nicht mal Kleie und Mehlstaub sind uns geblieben. Aber unser Quellwasser ist sauber.»
«Ein Bäcker ohne Getreide», kicherte eine Alte, der das strähnige Haar offen ins Gesicht hing, «ist wie ein Mannsbild ohne Schwengel.»
Dann rückte sie zur Seite und winkte Agnes heran. «Setz dich neben mich, du schöner Engel. Sieh, wir leben hier wie Gott Bacchus», sie wies auf die reifen und halbreifen Trauben, die sich in einer Ecke häuften, «die schenkt uns der Weinberg gegenüber, denn lesen wird die ohnehin keiner mehr. Nimm dir also, so viel du essen kannst. Bacchus wird es dir mit der schnellen Kathrin vergelten, die plagt uns alle.»
Widerstrebend drückte sich Agnes neben die Alte ins Stroh. «Dann seid Ihr der Bäckermeister, der bei Nördlingen dabei war?», wandte sie sich an den Hünen.
«Ja. Warum fragt Ihr?»
«Ich bin auf der Suche nach meinen Brüdern, die ebenfalls in Nördlingen waren. Der eine bei den Kaiserlichen, der andere als Feldscher unter Bernhard von Weimar.»
«Was für eine Posse.» Die Alte kicherte nun noch hemmungsloser. «Kain und Abel auf dem Schlachtfeld. Dafür haben wir hier Sodom und Gomorra, als gerechte Strafe für unser sündenvolles Leben. Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war. Und Lots Weib –»
«Jetzt schweig endlich, Mutter», fuhr der Bäcker sie an. «Ein Feldscher, sagt Ihr? Wir waren in Bernhards Regiment eingegliedert. Dort hat ein junger Feldchirurg meinen Arm verarztet.»
Agnes’ Herz machte einen Sprung.
«Hieß er Jakob Marx?»
«Das weiß ich nicht. Aber er war trotz seiner Jugend bereits ein hervorragender Wundarzt. Ein schmaler Bursche mit blondem Haar und hellblauen Augen.»
«Hast du gehört, Rudolf? Das ist Jakob, das ist mein Bruder!»
«Das mag sein. Aber –», der Bäcker kratzte sich an seinem verletzten Arm, «als wir auf dem Rückzug waren, wurde der Feldscher gefangen genommen, wie so viele von uns. Er hatte sich uns nicht schnell genug angeschlossen, weil er im Lazarett zu Gange war.»
«Und wisst Ihr, wohin die Gefangenen verschleppt wurden?»
«Mit Sicherheit kann ich das nicht sagen. Aber ich habe gehört, die wichtigsten Männer hätten sie nach Stuttgart gebracht. Und einen guten Feldchirurgen wird sich kein Obrist durch die Lappen gehen lassen.»
Agnes konnte es nicht fassen. «Dann ist Jakob jetzt in Stuttgart? Herr im Himmel, ich danke dir.»
«Ob es Euer Bruder ist, müsst Ihr selbst herausfinden. Und das mit Stuttgart weiß ich, wie gesagt, nur vom Hörensagen. Ich will Euch keine falschen Hoffnungen machen.»
Sie lächelte. «Es wird schon alles so sein, wie Ihr sagt. Es muss so sein. Jetzt brauchen wir nur noch Matthes ausfindig zu machen.»
In dieser Nacht schlief sie tief und traumlos an Rudolfs Schulter. Als ihr Gefährte sie am nächsten Morgen weckte, standen die Pferde schon bereit. Gallus Renz begleitete sie bis zum Weg.
«Geht dort hinauf nach Neustadt.» Er deutete auf einen steilen Weg, der zu dem Dorf führte. «Dort bleibt auf der Höhe, haltet Euch genau nach Südosten, bis Ihr wieder auf das Tal der Rems stoßt. Auf diese Weise umgeht ihr Waiblingen. Die Landesfestung Schorndorf meidet am besten ebenfalls. Da hat sich ein Regiment Schweden eingenistet. Ich fürchte, die schießen jeden nieder, der sich ihnen nähert, egal, ob Freund, ob Feind.»
Sie schüttelten sich zum Abschied die Hände. Da kam
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