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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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hatte, wies auf die linke Seite des Saales.
    «Hier liegen die Kriegsverletzten.»
    Der Zustand der meisten war beklagenswert. Mit schmutzigen Tüchern verbunden, etliche mit amputierten Gliedmaßen, stöhnten sie im Fieberwahn oder vor Schmerz, andere jammerten oder fluchten in allen erdenklichen Sprachen vor sich hin. Agnes blieb stehen und griff nach Rudolfs Hand.
    «Schaut Euch nur um.» Der Knecht winkte sie näher heran. Auf seiner Miene lag ein Ausdruck von Resignation. «Hier gibt sich ganz Europa ein Stelldichein, Ihr findet Welsche aus Frankreich und Italien, Ungarn und Holländer, Eidgenossen und Mähren, Siebenbürger und Sachsen. Und sie alle hoffen auf Hilfe. Ob Euer Bruder dabei ist, dass müsst Ihr selbst herausfinden. Ich hab’s aufgegeben, sie zu unterscheiden.»
    Agnes glaubte ihren Herzschlag zu hören, als sie die Reihen durchschritt. Sie zwang sich, nur in die Gesichter der Männer zu sehen, doch das war schlimm genug. Mehr als einer schien über dem Erlebten den Verstand verloren zu haben.
    Schließlich kehrte sie zurück zu Rudolf und dem Spitalknecht, die am Eingang gewartet hatten.
    «Er ist nicht dabei.» Sie fühlte Enttäuschung und Erleichterung zugleich.
    Der Knecht zuckte die Schultern. «Wenn Ihr mir die Art der Verletzung beschreiben könntet, würde ich mich vielleicht erinnern. Aber so? Vielleicht war er auch nie hier. Oder er liegt längst in der Grube. Tut mir Leid. Aber wartet, da kommt der Wundarzt. Der weiß vielleicht mehr.»
    Er hielt den kleinen, grauhaarigen Mann, der achtlos an ihnen vorbeiging, am Arm fest.
    «Meister, einen Augenblick bitte. Diese Frau hier sucht ihren Bruder.»
    Unwillig blieb der Chirurgus stehen. «Also sprecht, ich habe wenig Zeit.»
    «Er heißt Matthes Marx, ein paar Jahre jünger als ich, groß und dunkel.» Agnes’ Stimme zitterte. «Er dient bei den kaiserlichen Reitern, als Wachtmeister oder Rittmeister – so genau kenne ich mich da nicht aus.»
    «Ein kaiserlicher Rittmeister war bis gestern hier, aber der war klein und dunkel, ein Welscher. Aber – der hatte einen Freund bei sich, Tag und Nacht, auf den trifft Eure Beschreibung zu. Matthes Marx, sagt Ihr? Ich glaube, das war sein Name. Der Junge hatte sich rührend um seinen Rittmeister gekümmert, zwei-, dreimal hab ich mich mit ihm unterhalten. Er ist aus Oberschwaben, nicht wahr?»
    Mit einem erstickten Laut fiel Agnes Rudolf um den Hals. «Wir haben ihn gefunden!»
    Der Chirurgus schüttelte den Kopf. «Er ist gestern weitergezogen, mit der Nachhut von Piccolominis Regiment.»
    «Und wohin?»
    «Richtung Aschaffenburg, glaube ich. Oder war es Rothenburg? Auf jeden Fall sollte er sich diesem Piccolomini anschließen, das weiß ich sicher. Denn er war darüber gar nicht erfreut. Überhaupt wirkte er reichlich schwarzgallig auf mich.»
    «Herzlichen Dank, Meister. Ihr wisst gar nicht, wie glücklich Ihr mich macht.» Sie schüttelte dem Wundarzt die Hand. «Ihr habt mir eine große Last vom Herzen genommen. Ach ja – was war mit dem verletzten Freund?»
    «Der ist gestern dem Wundbrand erlegen. Ich fürchte, für Euren Bruder war das ein böser Schlag.»
     
    Sie ritten über den Graben des Baldinger Tors. Zum Nachtquartier hatte ihnen der Spitalarzt einen Weiler gleich nördlich derStadt anempfohlen, da Nördlingen keine Fremden mehr aufnehme.
    Agnes lenkte ihr Pferd dicht neben das ihres Freundes. «Ich kann es noch immer nicht glauben.»
    Rudolf runzelte die Stirn. «Sicher ist, er lebt. Aber wir haben ihn noch nicht gefunden. Und da wir heute nicht weiterkönnen, hat er zwei Tage Vorsprung.»
    «Was sind schon zwei Tage?» Agnes’ Augen leuchteten. In ihre Freude über diese gute Nachricht mischte sich noch etwas anderes: Sie hatte in der Stadt einen Anschlag gesehen, demzufolge eine Komödiantencompagnie Sonntag kürzlich vor Nördlingen gastiert hatte. Konnte es sein, dass zwei Truppen gleichen Namens durchs Reich zogen? Oder handelte es sich tatsächlich um ihre Freunde aus Kindertagen? Auf jeden Fall waren die Gaukler gestern durch dieses Tor gezogen, wie sie eben vom Wächter erfahren hatte.
    Bald erreichten sie den Weiler, der inmitten fruchtbarer Felder lag. Der Anblick war für sie wahrlich nicht neu; doch immer wieder schnitt es Agnes ins Herz: Brandspuren und herausgerissene Türen und Fenster bezeugten, dass auch dieses Dorf verheert worden war. An der einen Stelle lag das Korn verbrannt, an anderer von mutwilliger Hand niedergehauen. Dennoch herrschte überraschende

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