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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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auf?»
    «Morgen früh. Wir wollen versuchen, zum Tross Piccolominis aufzuschließen.»
    «Piccolomini? War das nicht der Name, von dem der Chirurgus gesprochen hat?»
    «Ja, ganz recht», entgegnete Rudolf.
    «Dann muss ich mit euch.» Sie überlegte einen Moment und wandte sich mit entschlossener Miene an Rudolf. «Hör zu, du gehst nach Stuttgart zurück.» Sie hielt ihm Beutel und Brief hin. «Bring das zu David. Und such Jakob auf, falls er noch in Gefangenschaft ist. Lös ihn aus, bring ihn zu Mutter. Geld für eine gute Ranzion findest du in unserer Kleiderkiste. Das reicht allemal. Und sag Mutter, dass ich weiß, wo Matthes ist, dass ich mit meiner Freundin Lisbeth gezogen bin. Sag ihr, dass alles gut wird. Und David soll wieder die Schule besuchen, auf dich hört er. Sag ihm von mir   –»
    «Agnes, hör auf! Jetzt ist Schluss. Vielleicht hatten wir hier in Nördlingen ja noch eine gewisse Aussicht, Matthes zu finden. Aber nun? Die Kaiserlichen sind über ganz Süddeutschland verstreut, niemand weiß mit Sicherheit wo. Du kannst meinetwegen Lisbeth eine Nachricht mitgeben, für den Fall, dass sie auf Matthes trifft. Aber du reist nirgendwo mehr hin, und schon gar nicht ohne mich. Wir kehren morgen nach Stuttgart zurück. Wir beide.»

29
    Der Trupp, der da durch die herbstliche Landschaft zog, bot einen jämmerlichen Anblick: Nur vor dem Bühnenwagen trottete ein mageres Maultier, ansonsten spannten sich die Fahrenden abwechselnd selbst vor ihre klapprigen Karren und quälten sich über holprige Landsträßchen und Feldwege. Rudolf hatte ihnen zwar Agnes’ Reitpferd angeboten, doch Lisbeth hatte mit einem gerührten Lächeln abgelehnt: «Das sind edle Rösser, Paradepferde – für den Karren taugen die nicht.» Rudolf schien darüber fast erleichtert. Agnes gegenüber hatte er indessen seinen Zorn und seine Enttäuschung nicht verbergen mögen.
    «Ich bin für dich auf dieser Reise verantwortlich. Wenn dir etwas zustoßen sollte, werde ich mir mein Leben lang Vorwürfe machen.»
    «Nein, Rudolf, nur ich selbst bin für mich verantwortlich. Und ich gebe dir mein Wort: Wenn ich bis Rothenburg nicht auf Matthes’ Spuren gestoßen bin, such ich mir eine Begleitung und kehre umgehend nach Stuttgart zurück.»
    Beim Abschied dann hatte Rudolf ungehemmt zu weinen begonnen. Und Agnes hatte sich einmal mehr gefragt, ob es unverzeihlicher Hochmut war, dass sie diesen getreuen und verlässlichen Mann niemals hatte ehelichen wollen.
    «Oben auf dem Hügel machen wir Rast.» Lisbeth hatte sich neben Agnes in die Sielen gespannt. «Wahrscheinlich bereust du deinen Entschluss bereits.»
    Agnes nickte finster. «O ja, bei jedem Aufstieg, das kannst du mir glauben.»
    Sie waren nun den dritten Tag unterwegs, hatten des Nachts auf freiem Feld übernachtet, von ihren Pferdedecken notdürftig gewärmt und von zwei Männern im Wechsel bewacht. Auf Agnes’ Frage, wann sie wohl Piccolominis Nachhut erreichen würden, hatte der Prinzipal spöttisch gelacht. «Das weiß nureiner», er hatte gen Himmel gedeutet, «und der verrät es uns nicht.»
    Ohnehin war der Prinzipal nicht begeistert gewesen, dass sie mit ihnen zog. Es hatte großer Überredungskünste von Seiten Lisbeths und ihres Mannes bedurft, bis der Prinzipal endlich knurrend eingewilligt hatte.
    «Sie wird uns nicht zur Last fallen, im Gegenteil: Sie wird mit Hand anlegen wie wir alle. Das ist eine von uns: Ihr Mann war schließlich Gaukler, und als kleines Mädchen ist sie in der Truppe meines Vaters mitgezogen.»
    Immer haben sie mich die Gauklerin genannt – jetzt bin ich tatsächlich eine, dachte Agnes, als sie endlich die Anhöhe erreicht hatten. Ihre Freundin deutete auf ein Dorf in der Ferne, dessen Kirchturm in den trüben Himmel ragte.
    «Vielleicht finden wir dort ein kommoderes Nachtquartier als bisher», sagte sie. Kurz darauf versammelten sie sich um ein Feuer, und alle schleppten an, was sie unterwegs gefunden hatten: Fallobst, ein Säckchen Mehlstaub aus einer verlassenen Mühle, eine Schürze voll Waldbeeren oder Pilze. Magnus’ jüngerer Bruder brachte eine tote Katze ans Feuer, der er bereits das Fell abgezogen hatte.
    «Er hat sie erschlagen, nicht wahr?», flüsterte Agnes. «Sag es nur frei raus.»
    Lisbeth zuckte die Schultern. «Wo liegt der Unterschied zwischen einem erlegten Feldhasen und einer Katze?»
    Agnes musste ihr Recht geben. Dennoch verspürte sie keinen Appetit, als die Frau des Prinzipals ihr die winzige Portion Fleisch in die

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