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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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konvertiert, damals, nach WallensteinsTod, als er sich der Fahne König Ferdinands unterstellt hatte? Um an diesem blutigsten aller Kreuzzüge teilzunehmen? Schon längst wagte er keinen Blick mehr zum Himmel, aus Scham, dort irgendwo der gramvollen Seele seines Vaters zu begegnen. Dieselbe Scham erfüllte ihn, wenn er an seine Heilige Erstkommunion zurückdachte, an das großmütige Gebaren des Priesters, der ihn als verlorenen Sohn willkommen hieß, als einen, der rechtzeitig in den Schoß der Mutter Kirche zurückgekehrt war.
    Zu allem Übel ritten sie nun auf Schorndorf zu, die östliche Grenzfestung Württembergs, nur einen guten Tagesritt von Stuttgart entfernt. Im letzten Augenblick war seine Corporalschaft abkommandiert worden ins Remstal, wo der schwedische Oberst von Taupadel die Landesfestung hielt und sie die kaiserlichen Belagerer unter Generalleutnant Gallas stärken sollten. Der Befehl war eindeutig: Sie sollten Schorndorf entsetzen, koste es, was es wolle. Und das Lagerkommando der Besatzer führte kein Geringerer als Oberst Butler. Der Mann, der Albrecht von Wallenstein hatte morden lassen.
     
    «Kennen wir uns nicht irgendwoher?»
    Hauptmann Deveroux blieb mit seinem Bierkrug in der Hand stehen. Er schwankte leicht. Von Kopf bis Fuß war er in Samt, Seide und Atlas gekleidet, die Beine steckten in Stiefeln aus weichem Rinderfeinleder, und über dem goldverbrämten Wams prangte die kaiserliche Gnadenkette.
    Dein feiger Dolchstoß hat sich also bezahlt gemacht für dich, dachte Matthes hasserfüllt. Dann erhob er sich, wie es sich für einen Untergebenen gehörte.
    «Ja, wir sind uns mehrmals begegnet. Ich denke, zuletzt in Nördlingen.»
    Deveroux hörte nicht auf, ihn misstrauisch zu mustern. «Und in Eger auch?», fragte er schließlich. «Ich habe doch Recht, oder? Du bist ein Wallensteiner.»
    Matthes nickte. «Dem Generalissimus und dem Kaiser hab ich einst den Eid geschworen. Ihr etwa nicht?»
    «Die Fragen hier stelle ich. Hast du verstanden, Kerl?»
    «Jawohl.»
    «Und nun sprich mir nach.» Er hob den Krug und brüllte: «Vivat Ferdinandus!»
    «Vivat Ferdinandus.»
    «Lauter!»
    «Vivat Ferdinandus!»
    «Für heut will ich’s gelten lassen, du Fatzvogel. Aber gib Acht, ich halt ein Aug auf dich.»
    Damit schlurfte er davon. Matthes sah ihm nach. Hätte er jetzt ein Messer, er hätte es ihm mit Vergnügen zwischen die Schulterblätter gerammt. Er musste diesem Hundsfott künftig aus dem Weg gehen. Matthes spuckte aus, dann warf er seinen Pferden einen Arm voll Heu vor die Hufe und ging hinüber zu Mugge, der zusammen mit ein paar anderen Trossbuben und Söldnern am Lagerfeuer Bleikugeln goss.
    «Lass gut sein für heute und komm mit. Ich gebe einen Krug Bier aus.» Er nahm die Kugelzange entgegen und verstaute sie in seinem Beutel. «Ich frag mich ohnehin, ob Gallas jemals zum Sturm blasen lässt.»
    Vier Wochen war er nun schon mit seinen Männern hier, und der Winter nahte. Mehr und mehr kaiserliche Truppen waren nachgerückt, bis sich schließlich der Belagerungsring um Schorndorf geschlossen hatte. Niemand konnte jetzt mehr in die Stadt hinein oder hinaus. Und noch immer weigerte sich Taupadel, den angebotenen Pardon anzunehmen. Stattdessen hatte er die Gerbervorstadt abbrennen lassen, die offen zur Rems hin lag, und alle Bäume in und vor der Stadt niedergehauen, um freies Schussfeld zu schaffen und Mauerwerk zur Verstärkung des Festungswalls zu erhalten. Zudem habe er, hieß es, von Magistrat und Bürgern hohe Geldsummen abgepresst, um Vorräte für seineSoldaten anzulegen. Doch die würden über kurz oder lang zu Ende gehen. Und die Weiber und Buben aus dem Tross waren längst angehalten, die Felder rundum abzubrennen und niederzutrampeln – wer sich weigerte, den trieb der Hurenweybel mit der Peitsche hinaus.
    Aushungern des Gegners lautete die Strategie. Ausgehungert wurden indessen auch die eigenen Leute, denn der Nachschub mit Proviant war ins Stocken geraten, und Beute war im Umland nicht mehr zu machen. So wurde seit letzter Woche kein Fleisch mehr ausgegeben, nur noch ein Pfund dunkles Brot und ein Maß Bier pro Mann. Die Preise bei den Marketendern und Schankwirten stiegen ins Uferlose. Am Tage wurden streunende Katzen erschlagen, des Nachts die Hunde der Nachbarn, Rinder- und Pferdehäute aus der nahen Abdeckerei wurden zerschnitten, aufgeweicht und gekocht. Immer häufiger fielen Soldaten auf Posten vor Hunger in Ohnmacht. Fast alle einfachen Söldner litten an

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