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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Augenwinkel sah Agnes, wie ein paar der Männer die Nonnenzusammentrieben, andere verschwanden in den Gebäuden. Mit erstaunlicher Kraft hielt Kristin ihr Handgelenk umklammert und zerrte sie in das Halbdunkel des Stalls. Dort wies sie mit einer Kopfbewegung zur Wand, wo Sättel und Zaumzeug hingen. Agnes begriff: Sie sollten die Pferde von der Weide holen und bereit machen. Angewidert schüttelte sie Kristins Hand ab und lud sich einen der Sättel auf die Schulter. Kristin nahm den anderen, drückte ihr das Zaumzeug in die Hand und schob sie durch die Hintertür hinaus auf die kleine Weide.
    Agnes blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht. Die beiden Pferde trabten aufgebracht am Zaun entlang. Sie war keine Kennerin, doch sie mochte Pferde und sah auf den ersten Blick, dass der schwerfällige helle Fuchs kaum zum Reiten taugte, der Dunkelbraune hingegen aus einer edlen Zucht stammte.
    In ihrem Kauderwelsch sprach Kristin auf die Tiere ein, bis die sich tatsächlich beruhigten. Dann gab sie Agnes einen Stoß in Richtung des Fuchses: «Hopp, hopp. Bissel schnell.»
    Mit zitternden Fingern legte Agnes dem Pferd die Zügel über den Hals, schob ihm die Trense ins Maul und wuchtete den schweren Sattel hinauf. Immer wieder hielt sie inne und lauschte hinüber in Richtung Hof, wo mal wütendes Brüllen, mal lautes Gelächter aufbrandete. Als die Riemen und Gurte festgeschnallt waren, hielt sie es nicht mehr aus: Sie musste wissen, was den armen Frauen widerfuhr. Voll böser Vorahnungen zog sie den Fuchs hinter sich her in Richtung Gatter, band ihn dort fest, schlüpfte durch die Latten und bog um die Ecke des Stalls.
    Das Bild, das sich ihr bot, verschlug ihr den Atem. Auf dem Pflaster lag, gefesselt und geknebelt, ein Mann, offensichtlich der Küster, wand sich und wimmerte. Hinter ihm reihten sich entlang der Hauswand wie Perlen an einem Rosenkranz die Nonnen – doch in welch erbarmungswürdigem Aufzug! Ihre Tracht war vom Gürtel an nach oben umgeschlagen und über dem Kopf mit den Händen zusammengebunden. Wie große, graue Tulpenmit geschlossenen Blütenkelchen standen sie da, von der Hüfte abwärts nackt, Hintern und Scham schutzlos den Augen und Händen der Angreifer ausgeliefert. Einer von ihnen, ein Bursche von höchstens sechzehn Jahren, der noch kaum einen Bart ums Maul hatte, schritt die Reihe ab, griff hier mit kräftiger Hand in eine Hinterbacke, drückte dort seine schmatzenden Küsse auf behaarte Dreiecke, immer unter dem Beifall der anderen, bis der Nächste vortrat, den Gürtel löste und sein angeschwollenes Glied aus dem Hosenlatz zerrte. Unter dem schweren Tuch über den Köpfen der Nonnen drang die inbrünstige Litanei ihrer Gebete hervor, ihr Flehen und Heulen.
    Herr im Himmel, das durfte nicht geschehen. Wo war Steinhagen? Er musste dem Einhalt gebieten. Da sah sie ihn ein Stück weit entfernt aus dem Haupthaus treten, beladen mit Silbertellern und Tüchern. Vollkommen ungerührt ob des Treibens seiner Männer packte er einen Karren voll.
    «Rittmeister, bitte!» Agnes fiel ihm in die Arme. «Ruft die Männer zurück. Verschont die Nonnen.»
    «Darüber habe ich keine Macht», gab er barsch zurück. «Geh zurück in den Stall und halt dir die Ohren zu, wenn du das nicht aushältst.»
    Agnes starrte ihn mit offenem Mund an. «Ihr habt ein Herz aus Eisen.»
    Wie von Sinnen rannte sie über den Hof, sah für den Bruchteil einer Sekunde, wie sich auch die anderen Männer die Hosen abstreiften, wie eine der Nonnen schon rücklings auf dem Pflaster lag, der junge Bursche mit viehischem Gestöhn der Länge nach auf ihr, sie rannte in das schützende Halbdunkel des Stalles, die Hände an die Ohren gepresst, doch die Schmerzensschreie der Frauen, die sich jetzt mehrstimmig erhoben, durchdrangen alles, übertönten sogar ihr eigenes verzweifeltes Schluchzen.
    Sie hätte nicht sagen können, wie lange sie dort auf dem kalten Stallboden gekauert hatte. Irgendwann jedenfalls war Steinhagenerschienen, hatte sie mit sanfter Gewalt hinausgeführt, ihr auf den Karren geholfen, vor den das gesattelte Ackerpferd gespannt war. Dort hockte sie zwischen Mehlsäcken, Fässern und Hausrat. Am Hoftor warteten bereits die Männer zu Pferde. Alles lag still und verlassen, als sei nichts geschehen, nur an der Stelle, wo der Küster gelegen hatte, glitzerte eine riesige, dunkle Lache, an der sich in diesem Moment ein mageres Hündchen zu schaffen machte.
    «Was haben sie mit ihm gemacht?», stieß sie hervor. Kristin trat neben

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