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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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die Kochtöpfe waren zum Abendessen wohl gefüllt. Auch trugen einige der Männer und Frauen neue Kleidung. Agnes begriff, dass nun die Siedlungen abseits des Tals an der Reihe waren, geplündert zu werden. Kein Fleckchen Erde schien dieser Krieg auslassen zu wollen.
    Von jenem Tag an schwärmte jeden Morgen eine Gruppe aus, stets in anderer Zusammensetzung, da alle, ob Kind oder Greisin, darauf brannten, zum Zuge zu kommen. Längst war sich jeder selbst der Nächste, geteilt wurde nur noch unter Zwang. Um nicht ganz die Kontrolle über diese Meute zu verlieren, waren Steinhagen oder sein Bursche immer mit dabei. Andres weigerte sich als Einziger standhaft, auf Beutefang zu gehen. Der Rittmeister hätte ihn wohl auch kaum mitgenommen, aus Angst, der Junge würde ihm bei solcher Gelegenheit davonlaufen.
    An manchen Tagen waren die Plünderer nur kurze Zeit fort, an anderen stießen sie erst gegen Abend wieder zu ihrem Tross, immer häufiger mit gänzlich leeren Beuteln und wütender Miene. So blieben bald die ersten Frauen und Männer am Wegesrand zurück, krank und entkräftet. Keinen schien es zu kümmern, was aus ihnen wurde. Und zugleich fanden sie Tag für Tag mehr Tote beiderseits der Landstraße, ausgeraubt, verstümmelt, halb verwest.
    Ein einziges Mal nur keimte in Agnes wieder Hoffnung auf. Es war an einem warmen Maientag, als sie bemerkte, wie der Rittmeister eine zunehmende Unruhe an den Tag legte. Er ließ seinen Trupp enger beieinander marschieren, verstärkte Vorhut und Nachhut mit Munition, trabte beständig vom Kopf des Zuges ans Ende und wieder zurück.
    «Was hat das wohl zu bedeuten?», fragte sie Andres, der vor ihr mit gesenktem Kopf neben seinem Maultier trottete.
    Der wandte sich um und sagte mit gleichmütiger Miene: «Wir werden verfolgt. Hoffentlich zum Schaden der Schweden und zu unserem Vorteil.»
    «Halt dein Maul!» Steinhagens Bursche stieß ihm vom Pferd aus die Fußspitze in den Rücken.
    Schließlich ließ der Rittmeister den Zug anhalten, und sie mussten sich hinter einem Erdwall sammeln, der einen gewissen Schutz bot. Tatsächlich näherten sich eine halbe Stunde später zwei Reiter. Als sie auf Sichtweite heran waren, sprang Steinhagen plötzlich aus seinem Versteck und ging mit ausgebreiteten Armen und lachendem Gesicht auf sie zu.
    «Verdammt!», entfuhr es Andres.
    Steinhagen führte die beiden Reiter in den Schatten eines Uferwäldchens, wo er den halben Nachmittag mit den Fremden verbrachte und sie üppig bewirten ließ. Als sie weiterzogen, war sein Gesicht ernst, und er trieb seine Leute zu ungewohnter Eile an.
    Voller Ungeduld wartete Agnes an diesem Abend, dass Steinhagen sich neben sie legte.
    «Wer waren die Männer?», fragte sie.
    «Geheime Boten.» Steinhagen zog sie an sich, strich ihr über den Rücken. «Wir müssen nach Zürich.»
    «Weshalb? Was hatten sie für Nachrichten?»
    Statt einer Antwort bedeckte er ihren Hals und ihre Schultern mit Küssen. In diesem Augenblick erklang aus zwei Richtungen zugleich Glockengeläut durch die einbrechende Nacht.
    Unwillig hob Steinhagen den Kopf. «Das voreilige Friedensgebimmel wird die Katholischen noch reuen», knurrte er.
    Agnes fuhr auf. «Was soll das heißen? Ihr sagt mir jetzt sofort, was für eine Zeitung die Männer überbracht haben, sonst   –»
    «Sonst?»
    «Sonst könnt Ihr mich totschlagen, bevor ich Euch noch einmal zu Diensten bin.»
    Steinhagen lachte bitter. «Nun gut, wenn du mir so fürchterlich drohst: Die Glocken verkünden den Prager Frieden.»
    «Frieden?» Agnes brachte das Wort vor Aufregung kaum heraus.
    «So schimpft es der Kaiser.» Wieder lachte Steinhagen. «Dabei ist das Abkommen so viel wert wie ein Sack Flöhe.»
    Agnes konnte es immer noch nicht fassen. «Wenn der Krieg vorbei ist, müsst Ihr mich freilassen, mich und Andres. Oder habt Ihr gar keine Soldatenehre mehr?»
    «Was weißt du schon von Soldatenehre? Ich selbst zum Beispiel, als Deutscher in feindlichem Dienst, soll mich nun beim kaiserlichen Heer einfinden, sonst drohen mir Konfiskation meiner Güter und die Hinrichtung. Und weißt du was? Da scheiß ich drauf. So viel zu meiner Soldatenehre. Aber bitte», er räusperte sich, «nimm deinen wunderlichen Bruder bei der Hand und mach dich auf den Weg. Du wirst schon sehen.»
    «Was – was meint Ihr damit?»
    «Erstens treibt sich hier in der Nähe ein Trupp Kroaten herum, der nur darauf brennt, im Rudel mit einer hübschen Frau zu kopulieren. Und zum andern gilt dieser

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