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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Frieden nicht für dich. Der Kaiser hat die Württemberger ausdrücklich ausgenommen. Genau wie Baden und die Pfalz.»
    «Das glaube ich nicht.»
    «Glaub, was du willst.»
    «Es ist sicher nur eine Frage der Zeit   – Württemberg wird mit dem Kaiser in Verhandlungen stehen. Niemand im Herzogtum hat diesen Krieg gewollt.»
    «Es wird überhaupt keinen Frieden geben. Ich habe nämlich erfahren, dass die spanischen Freunde des Kaisers nach den Niederlanden abgezogen sind. Der Kaiser war so dumm und hat seine Rechnung ohne den Franzosen gemacht. Meinst du, der Kardinal Richelieu, der alte Fuchs, schaut tatenlos zu, wie die Habsburger ihre Macht in Europa ausweiten? Gewaltige französische Truppenverbände haben bereits das Kraichgau und den Schwarzwald erreicht. Mit ihrer Hilfe und dem schwedischen Heer im Norden werden wir dem Kaiser das Zepter aus der Hand schlagen, dass ihm die Ohren wackeln.»

33
    Über das Reisen hatte Matthes ihr mal als halbwüchsiger Bursche gesagt: Gott habe den Bäumen Wurzeln gegeben, die Menschen aber beweglich gemacht, damit sie das Gute und Nützliche an allen Orten sammeln. Wie er heute wohl darüber dachte? Agnes jedenfalls lernte nach und nach das Abscheulichste kennen, dessen Menschen fähig waren. Ihre Reise führte sie immer tiefer in die Hölle.
    Es war an einem milden Morgen, wenige Tage nachdem die Kuriere aufgetaucht waren. Über das schmaler werdende Tal spannte sich ein wolkenloser Himmel.
    «Heute kommst du mit uns», befahl Steinhagen. «Du brauchst ein Reitpferd.»
    Seit kurzem durfte sich Agnes wieder frei bewegen, als wolle er ihr tatsächlich freistellen zu gehen, während Andres noch immer mal an den Füßen, mal an den Handgelenken gefesselt war.
    «Es macht mir nichts aus, zu Fuß zu gehen», entgegnete sie. Doch ein Blick auf Steinhagens Miene genügte, um zu erkennen: Jeglicher Widerspruch würde zwecklos sein. So beachtete er sie auch nicht weiter, während er den übrigen Trupp für den Beutezug zusammenstellte. Außer ihr waren, bis auf die zahnlose Alte, keine weiteren Frauen dabei.
    «Habt Ihr ein Ziel ausgekundschaftet?», fragte sie, als sie hinter ihm aufsaß. Steinhagen trieb sein Pferd in verhaltenen Trab.
    «Ein kleines Kloster. Nahezu unbewacht.»
    Die Sonne stieg gegen Mittag, als hinter den Hügeln erst die Turmspitze der Kapelle auftauchte, dann eine Handvoll Wohn und Wirtschaftsgebäude, die von einer lächerlich niedrigen Steinmauer umgeben waren. Agnes zog es das Herz zusammen: Wie friedlich lag das Kloster inmitten der Wiesen, und wie wehrlos.
    Der Rittmeister ließ im Schutz eines Wäldchens Halt machen und saß ab.
    «Du wartest hier mit den andern, bis ich euch ein Zeichen gebe. Und du hältst dich immer an der Seite von Kristin, verstanden? Du machst, was die Alte verlangt.»
    Gebückt schlich er über die mit Löwenzahn leuchtend gelb besetzte Wiese. Jetzt erst bemerkte Agnes die Gestalten, fünfzehn, zwanzig an der Zahl, alle in dunkles Grau gehüllt, die auf der anderen Seite des Klosters bei der Feldarbeit waren. Gott stehe ihnen bei, dass ihnen kein Leid geschehe, dachte sie. Zugleich spürte sie, wie die Gier in ihr erwachte, nach frischen Vorräten, nach eingemachtem Obst, nach kräftigem Klosterbier und Brot.
    Immer noch lag das Kloster vor ihnen in der Sonne, als sei nichts geschehen, kein Schuss, kein Geschrei verriet, dass in die friedliche Wohnstätte der Mönche ein Plünderer eingedrungen war. Dann aber begannen die beiden Pferde auf der Weide erst zu schnauben, dann zu wiehern, in die Gruppe der Mönche kam unruhige Bewegung. Steinhagen war wohl entdeckt worden. Da zerriss auch schon sein gellender Pfiff die Stille, und sie preschten los – zehn Reiter nur, doch mit dem Kriegsgebrüll eines ganzen Regiments. Agnes galoppierte dicht neben der Alten, die ihre Zügel an sich gerissen hatte, fast warf es sie aus dem Sattel, während sie quer über die Wiesen auf das große Hoftor zurasten, dessen beide Flügel jetzt offen standen, mitten hinein in den Hof, wo die Ordensbrüder kreuz und quer durcheinander rannten, mit Wehklagen und erhobenen Armen. Da blieb Agnes fast das Herz stehen: Die Mönche waren in Wirklichkeit Nonnen, waren allesamt wehrlose Frauen!
    Agnes schrie auf. «Nein!»
    Steinhagen, der breitbeinig, mit seiner Büchse im Anschlag mitten im Hof stand, warf ihr einen bösen Blick zu, dann befahl er der Alten etwas in deren fremder Sprache. Die zerrte Agnes vom Pferd und verpasste ihr eine Maulschelle. Aus dem

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