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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Hochsommer. Mühsam schleppten sie sich voran, ein jämmerlicher Haufen von zwei Dutzend Männern, Frauen und Kindern, so gut wie unbewaffnet und jeder Bande von Heckenkriegern schutzlos ausgeliefert. Irgendwann tauchte vor ihnen eine Reihe steiler Bergkegel auf, die wie Kaminschlote in den Dunst ragten.
    «Wie weit ist es noch bis Zürich?», fragte sie Steinhagens Reitburschen, obwohl der Rittmeister neben ihr herging.
    «Acht, neun Tage vielleicht?» Der Bursche warf einen unsicheren Blick auf seinen Herrn.
    Der nickte. «Wir sind erst in der Nähe der Festung Hohentwiel.» Dann zog er seinen Burschen an sich heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Bald darauf zweigte ein ausgefahrener Feldweg ab. Steinhagen rief seinen Leuten etwas in dieser seltsamen Sprache zu, die, wie Agnes inzwischen wusste, ein Kauderwelsch aus Schwedisch, Italienisch und Französisch war. Die meisten nickten. Steinhagen zog aus seinem Beutel die Reste einer zerfetzten schwedischen Fahne, befestigte sie an einem Stock, dann schlugen sie den Weg ein, der auf einen der Bergkegel zuführte. Auf seiner Spitze, in Schwindel erregender Höhe, klebte eine so mächtige Burganlage, wie sie Agnes noch nie gesehen hatte.
    «Ihr wollt zu der Festung?», fragte sie erstaunt.
    «Ja.» Steinhagen wich ihrem Blick aus. «Vielleicht erweist sich der Kommandant als generös und stattet uns mit Waffen und Proviant aus.»
    Bald führte der Weg erst zwischen Weingärten, dann durch moosbesetzte Wiesen stetig bergan. Eine Herde Schafe, die im Schatten einer Kapelle graste, beäugte sie neugierig. Die ungeheuren Ausmaße der Anlage waren nun immer deutlicher auszumachen. Auf einem Felsvorsprung lag hinter dicken Mauern die untere Festung, von da führte entlang nackter Felswände, durch drei starke Tore und über mehrere Brücken, ein Weg steil nach oben. Dort, auf dem abgeflachten Gipfel des Bergkegels, thronte das von einem mächtigen Bollwerk umgebene Burgschloss. Man musste kein Festungsbauer sein, um zu erkennen, dass diese Burg wohl unbezwingbar war.
    Steinhagen ließ halten. Zu Agnes’ Erstaunen begannen die anderen, Feldsteine aufzuklauben.
    «Du nicht, Agnes. Der restliche Aufstieg wird beschwerlich genug.»
    «Wozu soll das gut sein?»
    «Jeder Gast muss einen Stein mitbringen, für den Ausbau der Festung.» Der Rittmeister wuchtete sich einen besonders schweren Brocken auf den Rücken. «Zum Lohne lässt uns Widerhold aus dem goldenen Herzogsbecher trinken, auf das Wohl deines württembergischen Herrn.»
    «Konrad Widerhold? Der herzogliche Major?»
    «Eben der. Er ist Kommandant der Landesfeste Hohentwiel. Du wirst sozusagen heimatlichen Boden betreten, eine Insel der Seligen inmitten der Habsburger Vorlande. Oder ich könnte auch sagen: den Stachel im Fleisch der Kaiserlichen. Freust du dich?»
    Er lächelte sie an. Doch in seinen Augen stand so etwas wie Wehmut.

35
    Konrad Widerhold hob den Becher.
    «Auf die Freiheit der Religion und das Augsburger Bekenntnis! Auf Herzog Eberhard im fernen Straßburg!»
    Steinhagen nahm einen tiefen Schluck, dann gab er den großen goldenen Becher an Agnes weiter. Der Rotwein war süß und schwer. Sie standen im unteren Burghof in der Abendsonne, umringt von Widerholds Leibwache, einem guten Dutzend schwerbewaffneter Reiter in halbem Harnisch.
    «Nun», Widerhold warf einen anerkennenden Blick auf den Haufen Steine zu seinen Füßen, dann lächelte er, «was also führt Euch den beschwerlichen Weg hier herauf? Sprecht frei heraus.»
    Der Kommandant war ein imposanter Mann, wie Agnes fand, ein wenig älter als sie selbst. Obschon nicht sonderlich groß und eher untersetzt, wirkte er kraftvoll wie ein Bär. Sein braunes welligesHaar, das er akkurat seitlich gescheitelt hielt, fiel bis über die Schultern, die Enden des gestutzten Schnauzbarts waren nach oben gezwirbelt. Sein heller, klarer Blick verriet Entschlossenheit und eine gewisse Strenge. Agnes wusste: Konrad Widerhold hatte in Stuttgart den Ruf eines zähen Haudegens, der in Treue zum Fürstenhaus hielt.
    «Ihr seht selbst», begann Steinhagen, «in welchem Zustand meine Leute sind. Wir wurden in Nördlingen versprengt, Isolanis Kroaten haben uns in den Süden gejagt, etliche von uns sind dabei umgekommen. Jetzt sind wir auf dem Weg nach Zürich, um uns mit anderen schwedischen Truppenteilen aus Schwaben zu vereinen und weitere Befehle abzuwarten.» Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln. «Wir Ihr sicher wisst, sind unsere französischen Verbündeten im

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