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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Anmarsch – dieser infame Friede von Prag, von dem Euer Herzog so schändlich ausgeschlossen ist, wird also keinen Bestand haben, dafür werden wir schon sorgen. Der Kaiser soll sich wundern, es ist noch nicht zu spät zur Remedur.»
    Steinhagen hielt inne, als erwarte er Beifall. Als Widerhold ihn nur stumm ansah, fuhr er fort: «Zu unserem großen Unglück sind wir unterwegs in einen Hinterhalt geraten, ein rasendes Bauernpack hat uns geplündert und zur Hälfte hingemetzelt. Seither besitzen wir nichts, als was wir am Leib tragen. Und so bitten wir Euch inständigst um die Gnade einiger Feuerrohre und etwas Wegzehrung.»
    «Ihr seid sicher fromme und redliche Leut – doch ich habe zweihundert Mann zu versorgen, und das ist hier auf diesem Felsennest nicht eben einfach. Warum also sollte ich Euch von meinen Waffen und meiner Furage abgeben?»
    «Zum einen, um uns als verbündeten Schweden aus der Not zu helfen.»
    Der Kommandant begann zu lachen, und seine Wangen legten sich in tiefe Falten. «Verbündete? Das Bündnis der Protestanten hat sich aufgelöst wie Nebel an einem Sommermorgen.»
    «Wartet ab, es wird sich erneuern. Zum anderen hab ich noch ein paar Silberlinge bei mir zur Bezahlung – gewiss nicht genug. Indessen erhoffe ich mir eine kleine Anerkennung dafür, dass ich diese Frau hier, Agnes Marxin, aus den Kriegswirren gerettet habe. Sie ist Stuttgarterin, also eine Untertanin Eures gnädigen Herrn, und hat in der Residenz gedient. Halb verhungert habe ich sie auf der schwäbischen Alb aufgelesen, wo sie den Winter in einer Höhle verbracht hat. Um sie bei Euch in Sicherheit zu bringen, haben wir eigens einen Umweg auf uns genommen.»
    Agnes traute ihren Ohren nicht. Steinhagen wollte sie gegen Ausrüstung eintauschen wie ein Stück Vieh!
    «Da habt Ihr Euch wahrlich als tapferer Ritter erwiesen.» In Widerholds Augen blitzte Spott auf. Dann wandte er sich an Agnes: «Bevor ich etwas entscheide, sagt Ihr mir selbst: War dem so? Ihr wurdet nicht etwa als Geisel oder Gefangene mitgeführt?»
    Der Rittmeister errötete leicht, und Widerhold beeilte sich fortzufahren: «Nicht, dass ich Euch solche Dinge unterstellen will. Nur hört man allzu oft von Entführungen, und es sind nicht immer nur die Leute der Kaiserlichen. Also, verehrte Frau Marxin, sagt ohne Furcht die Wahrheit. Als Württembergerin seid Ihr so oder so willkommen auf unserer Burg.»
    Agnes biss sich auf die Lippen. Ganz offensichtlich war Steinhagen ihrer überdrüssig geworden, seitdem sie sich ihm verweigerte. Wollte sie loshaben und zugleich noch einen Vorteil herausschlagen. Der Kommandant indes schien ihr ein rechtschaffener Mann zu sein. Würde sie die wahren Umstände berichten, würde das für den Rittmeister mit Sicherheit übel ausgehen. Der Augenblick der Rache wäre hiermit gekommen – wenige Worte nur, und sie könnte Steinhagen ans Messer liefern.
    In diesem Moment der Stille waren aller Blicke auf sie gerichtet. Sie sah in die mageren Gesichter der schmutzigen, abgerissenen Leute, in deren Gesellschaft sie die letzten Monate verbracht hatte. Oft genug war sie von ihnen gedemütigt und geschurigeltworden, dennoch hatte keiner ihr ernsthaft Leid angetan, und sie hatten das Wenige mit ihr geteilt. Durfte sie ihnen die so dringend benötigte Hilfe verwehren, nur weil es sie danach drängte, Steinhagen zu strafen und Andres’ Tod zu rächen?
    Sie warf dem Rittmeister einen verächtlichen Blick zu, dann sagte sie mit fester Stimme:
    «Es ist, wie der Rittmeister sagt. Ich danke Euch untertänigst für die Gnade und Güte, mir Zuflucht zu gewähren.»
    Während sie ihren Hofknicks andeutete, hörte sie förmlich den Seufzer der Erleichterung neben sich.
    «Gut. Ihr anderen – ihr könnt für diese Nacht euer Lager hier im Hof aufschlagen. Der Torwächter wird euch Decken und frisches Stroh bringen, das Abendessen werdet ihr mit der unteren Wache einnehmen. Morgen früh erhaltet ihr fünf Büchsen samt Pulver und Kugeln. So möget ihr dann weiterziehen mit Gottes Segen. Ihr aber, Agnes Marxin, begleitet mich auf meine Burg. Wenn Ihr Euch verabschieden wollt, so tut dies jetzt, denn Ihr werdet Eure Begleiter wohl nicht wieder sehen.»
    Steinhagen streckte ihr unsicher die Hand entgegen, in der er das kleine geschnitzte Holzpferd hielt. Sein kantiges, energisches Gesicht hatte alle Härte verloren, in den eisblauen Augen glitzerten sogar Tränen.
    «Leb wohl, Agnes. Komm wohlbehalten nach Stuttgart zurück.»
    Sie nahm die Figur an

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