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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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schlenderten Offiziere durch die Menge, leicht zu erkennen an Schärpe, Federbusch am Hut und dem fast immer strammen Bauch unter modisch-elegantem Rock.
    «Unser neues Leben beginnt.» Gottfried strahlte. Auch Matthes spürte, wie die Aufbruchsstimmung ihm die Brust frei machte. Blieb nur noch zu hoffen, dass sein Freund und er derselben Kompanie zugeteilt wurden. Denn zum Freund war Gottfried ihm in diesen Tagen endgültig geworden. Ohne dessen Sorglosigkeit und Frohnatur wäre der Marsch unerträglich gewesen.
    Ihr Leutnant aus Tettnang hieß sie in Viererreihen antreten, dann führte er sie in die Mitte des Lagers vor ein prächtiges, mit den Fahnen und Insignien des Kaisers geschmücktes Zelt, das die Musterkommission beherbergte.
    «Je vier von euch treten vor, sobald ihr Befehl dazu habt. Ihr werdet jetzt offiziell in den Dienst Seiner Kaiserlichen Majestät genommen. Macht mir keine Schande!»
    Matthes verbarg seine schweißnassen Hände hinter dem Rücken, als er mit Gottfried und zwei blutjungen Kerlen aus Wangen vor den Musterkommissär trat. Nachdem ein weiteres Mal ihre Angaben zu Herkunft, Alter und bisherigem Broterwerb in eine Liste übertragen worden waren, mussten sie sich splitternackt ausziehen. Unter dem aufmerksamen Blick des Kommissärs untersuchte der Feldscher jeden Muskel, jedes Gelenk ihres Körpers. Matthes empfand diese Prozedur als überaus entehrend, und wie zum Trotz reckte er, als die Reihe an ihm war, das Kinn in die Luft.
    «Da haben wir ja einen strammen Burschen.» Der Feldscher blinzelte dem Kommissär zu. «Hoch gewachsen, lange Beine, breite Schultern, dazu dies kräftige schwarze Haar – wie geschaffen für den ehrenvollen Dienst des Fähnrichs.»
    Matthes konnte nicht verhindern, dass er rot anlief, was die beiden Männer in lautes Gelächter ausbrechen ließ.
    «Schamhaft wie eine Jungfrau!» Der Kommissär wurde wieder ernst. «Aber gräm dich nicht, mein Junge – dieser Krieg wird noch lange währen, und irgendwann wird er auch dich zum Mann machen. Vielleicht wirst du dann tatsächlich die Fahne tragen dürfen.»
    Als sie sich wieder ankleideten, flüsterte ihm Gottfried zu: «Du hättest dein Gesicht sehen sollen – rot wie ein Paradiesapfel.»
    «Bist ja nur neidisch, mit deinen krummen Beinen.»
    Ihnen wurde beschieden, dass sie alle vier als gemeine Fußknechte der fünften Rotte im zweiten Fähnlein zugeteilt seien. Sie fragten sich zu ihrem Standort durch, bis sie zu einem Geviert aus einigen Dutzend Erdhütten gelangten, mit Stroh bestückte Gruben, die eine Zeltplane überspannte. Im Schatten eines Holderstrauchs döste ein dicker älterer Mann, der sich als Feldweybel ihres Fähnleins herausstellte. Mürrisch wies er ihnen zwei Gruben als Schlafplatz zu.
    «Was hast du da?» Er zeigte auf das Lederetui an Matthes’ Seite.
    «Mein Gesellenstück. Ein Karabiner.»
    «Ja Sakra, bin i hier im Tollhaus?», brüllte der Dicke. «Du bist Gemeiner und kein Offizier, der nach Belieben sein Waffenarsenal spazieren trägt. Her damit. Das Ding kommt zum Zeugwart. Falls du mal bis zur Reiterei aufsteigst, kannst du es dir ja zurückholen.»
    «Aber   –»
    «Hältst du wohl ungefragt dein Maul? Pünktlich zum Abendappell steht ihr vor dem Zelt, und zwar stramm. Dann beginnt euer Dienst in der kaiserlichen Armee. Und jetzt», sein feistes Gesicht entspannte sich, «ab mit euch zum Pfennigmeister.»
    Kurz darauf hielten sie ihren ersten Monatssold in den Händen – stattliche sechs Gulden! Dennoch zog Gottfried ein Gesicht.
    «Ein kometenhafter Aufstieg ist das ja nicht. Vor ein paar Tagen noch standen wir kurz vor der Gesellenprüfung der angesehenen Büchsenmacherzunft, und jetzt sind wir elende Knechte in einer Kompanie Fußvolk und hausen unter der Erde wie die Maulwürfe.»
    «Was hast du erwartet? Dass du aus dem Stand zum Rittmeister der Kürassiere ernannt wirst? Du kannst ja nicht mal gescheit reiten.»
    «Und ob ich reiten kann! Ich werd es dir schon noch beweisen.»
    Vom Pfennigmeister waren sie angewiesen worden, sich umgehend das Nötigste für ihre Ausrüstung zu beschaffen, und so schlenderten die beiden durch das Getümmel des Lagers. Nicht wenige der Männer waren bereits jetzt, am helllichten Nachmittag, betrunken. Am Rande des Lagers, inmitten eines Rübenfeldes, hatten Handwerker und Höker ihre Trödelbuden aufgeschlagen. Die Kleidungsstücke sollten warm sein und wenig Fell und Nähte aufweisen, um Ungeziefer keinen Unterschlupf zu bieten, hatte

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