Die Gauklerin
schon wieder.» Matthes richtete sich auf. «Ich muss zurück zu meiner Einheit. Zweites Fähnlein, zweites Infanterieregiment. Vorne an der Front.»
Der Feldweybel schüttelte den Kopf. «Es gibt keine Frontmehr. Die Schlacht ist vorbei. Die Explosion eben hat den Mansfeldern den Rest gegeben.»
«Das war ich.» Matthes sagte das ohne jeden Stolz. Er war nur unsagbar müde.
Ungläubig starrte ihn der andere an. «Das glaube ich nicht.»
«Doch.» Er erhob sich. «Wo sammeln sich die Truppen?»
«Vor dem Brückenkopf. Halt, so warte doch. Wie heißt du?»
«Matthes Marx. Ich muss meinen Freund suchen.»
«Das kannst du später noch. Du kommst jetzt mit mir mit.»
Widerwillig folgte Matthes dem Feldweybel durch das Gewühl der Soldaten. Verletzte wurden weggeschleppt, die Toten am Flussufer aufgebahrt. Überall Gestöhn und Geschrei, überall klaffende Wunden. Matthes zwang sich wegzusehen.
An den Palisaden der Befestigung gebot ihm der Feldweybel zu warten. Wenig später kehrte er mit einem Mann zurück, in dem Matthes zu seinem Erstaunen Johann von Aldringen erkannte.
Der Regimentsobrist reichte ihm die Hand, und Matthes nannte Namen, Dienstgrad und sein Fähnlein. Dann musste er berichten, wie er vorgegangen war, wobei ihm zum ersten Mal klar wurde, dass er sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatte. Doch das schien für Aldringen nicht von Belang. Im Gegenteil, er legte dies als löblichen Kriegseifer aus.
«Du hast Courage bewiesen, und das soll belohnt werden. Ich erwarte dich morgen in meinem Quartier in der Stadt.»
An diesem Abend wurde Matthes von seinem Fähnlein gefeiert, als habe er die Schlacht allein geschlagen. Sie saßen vor den Mauern der Stadt um ein großes Feuer, über dem sich ein halber Ochse drehte. Hier und da fand sich einer mit Verband um Kopf, Arm oder Bein, doch Schwerverletzte oder Tote hatte es in ihren Reihen keine gegeben.
Der zweite Held des Abends war Gottfried – er hatte immerhin eine feindliche Fahne erbeutet. Und so kamen sie nicht umhin, jedem ihrer Kameraden, jedem ihrer Corporale und Feldweybelzuzutrinken. Sanftleben verpasste Matthes eine Maulschelle, weil er ohne jeden Befehl losgeritten war, dann schloss er ihn unter Tränen der Rührung in die Arme. Später erschien noch de Parada mit seinem Leutnant und sprach dem Fähnlein seinen Stolz aus. Er berichtete, drei- bis viertausend Mansfeldische seien auf dem Felde geblieben, darunter etliche Offiziere. An die tausendfünfhundert Gefangene hätten sie gemacht, die ausnahmslos in Wallensteins Dienste übergetreten seien. Die restlichen Truppenteile würden von Wallenstein und seiner Reiterei in den Norden getrieben. Anschließend mussten Gottfried und Matthes vortreten. Er schüttelte beiden die Hand, versprach ihnen eine besondere Prämie, deren Höhe sie in den nächsten Tagen erfahren würden.
«Und dir, Matthes Marx, wünsche ich Glück.» Er verzog das dunkle Gesicht zu einem Lächeln, doch seine Augen blieben ernst. «Ich denke, du wirst unser Fähnlein bald verlassen.»
Matthes blickte ihn erschrocken an, doch der Hauptmann schien zu keinen weiteren Auskünften bereit. Stattdessen trat er einen Schritt zurück, verkündete, dass sie alle einen zusätzlichen halben Monatssold erhalten würden, und verschwand. Die Männer jubelten, und binnen einer Stunde war auch der Letzte von ihnen sturzbetrunken.
Matthes lehnte an Gottfrieds Seite und betrachtete den Sternenhimmel. Irgendwo dort oben, hinter dem Himmelszelt, schwebte die Seele seines Vaters und blickte auf ihn herab. Vielleicht hatte er ihm bereits verziehen, dass er die Mutter im Stich gelassen hatte.
«Gottfried?» Seine Zunge war schwer.
«Hm?»
«Ich geh nicht fort von dir. Niemals.»
Mit heftigem Schädelweh und bangem Herzen machte sich Matthes anderntags auf den Weg zum Palais der Regimentsobristen.Er hatte keine Vorstellung davon, was ihn erwartete. Am Morgen war ihm zu Ohren gekommen, dass Aldringen, der aus ärmlichstem Luxemburger Adel stammte und seine Laufbahn als Pikenier begonnen hatte, wegen seiner Verdienste in dieser Schlacht zum Freiherrn ernannt worden war, auch dass Wallenstein seinen Gegner Mansfeld bis nach Zerbst gejagt habe.
Nachdem sich Matthes bei der Wache angemeldet hatte, wurde er von einem Diener in einen Saal geführt, dessen Wände mit farbenprächtigen Gobelins behängt waren. Aldringen trat ihm entgegen, Matthes verneigte sich. Dann erst, zu seinem Schrecken, entdeckte er in einem Lehnstuhl
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