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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Feldlager und aus den Stadttoren hinunter zu den Ufern von Elbe und Mulde, wo jeder von ihnen, zielbewusst und ohne Zögern, Stellung bezog. Für den Feind musste ihre Zahl deutlich geringer wirken, als sie es tatsächlich war, denn wer nicht in den Festungen an den Flussufern Aufstellung genommen hatte, war in Gräben oder hinter Schanzen verborgen. Auch die Positionen der sechsundachtzig Kartaunen waren auf den ersten Blick nicht auszumachen. Und das war gut so, denn sie zählten nicht mehr als zweitausend Mann, zwei Regimenter nur. Kuriere waren unterwegs zu Wallenstein, Verstärkung holen.
    Die Kundschafter hatten berichtet, das Mansfeldische Heer mit seinen Dänen und Schotten, Franzosen und Holländern samt den wenigen Deutschen sei über zwölftausend Mann stark, doch bis jetzt war jenseits des Flusses, wo ihr Regimentsobrist Johann von Aldringen am östlichen Brückenkopf Stellung bezogen hatte, nichts auszumachen.
    Die Kälte des Aprilmorgens prallte an Matthes ab, als trage er einen Panzer. Dabei schützte ihn, neben der Sturmhaube, nur noch ein Kettengeflecht, das Hals- und Schulterbereich bedeckte. Doch er verspürte keine Angst. In unzähligen Stunden des Exerzierens hatte man sie auf diesen Augenblick vorbereitet. Ihr Fähnlein war zur Verteidigung und Reserve vorgesehen, man würde den Angriff der Mansfelder abwarten, dann galt es,auf die Trommelsignale und die Schlachtrufe ihres Hauptmanns und dessen Leutnants zu achten. Matthes’ Kompanie hatte sich am diesseitigen Brückenkopf verschanzt, zwischen Elbufer und der Stadt. Sanftleben stand unmittelbar vor Matthes, jetzt hielt er sein feistes Gesicht in die Morgendämmerung und lauschte angestrengt. Doch außer einem fernen Wiehern war nichts zu hören.
    Dann plötzlich das Signal. Matthes umklammerte seine Pike, jede Faser seiner Muskeln war gespannt. Ein flüchtiger Blick auf Sanftleben verriet ihm, dass ihrem Fähnlein kein Einsatz bevorstand – noch nicht. Im nächsten Moment setzte der Geschützdonner am gegenüberliegenden Elbufer ein, nicht nur von da, wo Aldringen Position bezogen hatte. Der Gegner verfügte also ebenfalls über schweres Geschütz, seine Vorhut musste es in der Nacht unbemerkt herangeschleppt und eingegraben haben. Als sich der erste Pulverdampf verzogen hatte, sah Matthes, dass sich die Protestantischen formiert hatten. Im nächsten Moment blies Mansfeld zum Sturmangriff. Zug um Zug setzten sich die waffenstarrenden Infanterie-Gevierte in Bewegung, von Reiterei flankiert, die Fahnen und Standarten in die Luft gereckt.
    Doch was Mansfeld im freien Feld sicher zum Sieg gereicht hätte, wurde ihm hier zur Falle. Salve um Salve krachte ihm entgegen, etliche Fähnlein tauchten scheinbar aus dem Nichts auf und fielen ihm in die Flanke. Dann durchbrachen Aldringens Kürassiere seine Front und schlugen blutige Breschen in die gegnerischen Haufen. Vergeblich versuchte Mansfeld, seine Linien zu schließen, binnen kurzem mussten sich die Angreifer zurückziehen. Überall blieben Tote und Verletzte liegen.
    Fast war Matthes enttäuscht, dass alles schon vorbei sein sollte und ihm dabei nur die Rolle des Zuschauers gegeben war. Gottfried, der einen Steinwurf von ihm entfernt stand, stieß seine Pike in die Luft und lachte. «Da hat sich dieser Zwerg anständig vergaloppiert.»
    «Noch ist die Schlacht nicht geschlagen», murmelte Sanftleben.
    Selbstredend behielt der alte Feldweybel Recht. Drei endlose Wochen noch verharrten sie in ihrer Stellung, drei Wochen, die nur von täglichem Feuerspiel unterbrochen wurden und einigen nächtlichen Ausfällen ins gegnerische Lager. Bei zweien waren auch Matthes und Gottfried dabei, und sie erbeuteten einige Musketen und Sturmbüchsen. Mansfeld wich keine Meile zurück, und für einen Angriff waren die Kaiserlichen zu schwach. Die Zeit schien still zu stehen; zum Schlafen kamen sie dennoch viel zu selten, die Mahlzeiten wurden hastig an der Feldküche eingenommen. Jedermann ahnte: Die entscheidende Schlacht stand noch bevor, denn inzwischen war Wallenstein mit seinen Regimentern eingetroffen.
    Was dann am 25.   April des Jahres 1626 folgte, würde Matthes nie vergessen. Es verlieh ihm auf ewig die Gewissheit, dass Albrecht von Wallenstein nicht nur der kühnste, sondern auch der klügste Feldherr aller Zeiten war. Und verschaffte ihm selbst, nebenbei, seinen ersten Erfolg.
    Es war ein trüber, kühler Morgen. Die letzten Tage schon hatten sich die Mansfeldischen wieder und wieder stark gemacht, doch

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