Die Gauklerin
ist?»
«Nein, lass nur. Ich gehe später selbst hinüber.»
«Dann einen schönen Abend. Und Ihr erholt Euch noch recht gut, liebe Frau Mangoltin.»
Marthe-Marie sah ihm nach. «Was für ein liebenswürdiger Mensch.»
«Das ist er wahrhaftig. Aber jetzt bitte keine mütterlichen Ratschläge.» Agnes versuchte, ihre Worte scherzhaft klingen zu lassen, doch sie spürte, dass die Müdigkeit ihrer Mutter nicht nur von der langen Reise herrührte. Es lag noch etwas anderes in der Luft.
«David, geh hinunter in die Gesindeküche. Es wird Zeit für dich, zu Abend zu essen.»
Widerstrebend gehorchte er. Als sie unter sich waren, fragte Agnes: «Was ist geschehen?»
Ihr Bruder sah sie erstaunt an. «Dann hast du meine Post nicht erhalten?»
Agnes schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Nun –» Ruhelos ging er zwischen Bett und Waschtisch auf und ab. «Es ist – Agnes, ich möchte dich bitten, Mutter aufzunehmen. Ich meine, du hattest ja selbst schon diesen Gedanken, und jetzt wäre die Zeit gekommen. Jetzt, wo ich –» Er verstummte.
Ihre Mutter starrte zu Boden. «Jetzt, wo du zur Armee gehst.»
«Was?» Agnes sprang auf. «Sag, dass das nicht wahr ist!»
«O doch», entgegnete Marthe-Marie an seiner Stelle. Ihre Stimme war leise, etwas wie unterdrückte Wut schwang darin mit. «Erst hat mir der Krieg den einen Sohn genommen, jetzt nimmt er mir den zweiten.»
«So ist es nicht.» Jakob blieb vor seiner Schwester stehen und sah sie beschwörend an. «Nicht um zu kämpfen, sondern um zu helfen, gehe ich zu den Soldaten. Als Feldscher, als Wundarzt. Hör zu, Agnes, es ist alles anders gekommen, als ich dachte. In Ravensburg hab ich kein Auskommen mehr. Gleich nach meiner Meisterprüfung ist Majolis gestorben. Es schien vollkommen klar, dass ich seine Nachfolge übernehme, zumal ich inzwischen die halbe Stadt behandelt habe.»
Er hielt einen Augenblick inne. «Dann plötzlich haben einige katholische Ratsherren, eine Minderheit nur, vorgebracht, um der Parität willen müsse der neue Stadtarzt katholisch sein. Schließlich sähen die Statuten unserer Stadt vor, dass jede Konfession gleichermaßen an den Ämtern beteiligt sei, und wo dies nicht möglich sei, wie beim Stadtarzt, müsse das eben im Wechsel geschehen. Dabei wurde bei der Ernennung des Stadtarztes bislang noch nie darauf geachtet. Und jetzt auf einmal –. Jedenfalls haben sich diese Idioten durchgesetzt. Bis zum Wiener Hof haben sie intrigiert.»
Agnes wurde wütend.
«Und schon siehst du keine andere Möglichkeit, als mit dieser Soldatenbrut durch die Lande zu ziehen? Weißt du nicht, was das für Mutter bedeutet?»
«Und ob ich das weiß.» Er warf einen Seitenblick auf Marthe-Marie. Doch die starrte noch immer regungslos vor sich hin.
«Aber was soll ich denn machen? Außerdem: Die Lage hat sich völlig verändert. Mit den Schweden werden jetzt mehr und mehr protestantische Fürsten gegen die Kaiserlichen ziehen. Das allesist erst der Anfang, aber dafür kommt jetzt endlich etwas Neues auf die Bahn, wird dieses verrottete Reich endlich in eine andere Form gegossen. Der sächsische Kurfürst hat ein Heer aufgestellt, unter Hans Georg von Arnim, einstmals Wallensteins bester Feldherr. Der Mann ist nicht nur überzeugter Lutheraner, er will auch den Frieden in Deutschland.»
«Das ist doch Salbaderei. Wer kann Frieden wollen, wenn er Truppen rüstet?»
«Unter diesem Kaiser lässt sich Friede nur erreichen, wenn sich die deutschen Protestanten einig sind, wenn sie einen Führer, ein Programm haben. Und einen Feldherrn, der in der Lage ist, ihr Anliegen auch durchzusetzen.»
«Und nun fühlst auch du dich ausersehen, dieses hehre Anliegen zu unterstützen und dich dafür sogar ins Schlachtengetümmel zu stürzen.»
«Ach Agnes! Ich ziehe doch nicht in den Krieg, um zu töten, sondern um Menschenleben zu retten.»
«Du denkst doch nur an dich. Der Krieg ist die Hohe Schule der Chirurgie, das hast du selbst mal gesagt.»
«Hört endlich auf!» Marthe-Marie hob den Kopf. In ihren Augen standen Tränen.
Jetzt war es Agnes, die schwieg. Wie hatte sie sich gefreut über dieses Wiedersehen, darüber, dass ihre Mutter bei ihnen bleiben sollte, bei ihr und David. Und nun das.
«Wann also gehst du zu den sächsischen Truppen?», fragte sie Jakob schließlich.
«Morgen früh breche ich auf. Meine Bestallung hab ich schon in der Tasche.»
Marthe-Marie sagte leise: «Wenigstens hat Matthes dem Krieg den Rücken gekehrt. Er hat uns nach Ravensburg
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