Die Gauklerin
Terpentin und Eigelb, dick auf die Wunde aufgetragen, so wirkungsvoll wie ungefährlich ist. Und zur Kräftigung des Verletzten tut Wein mit Basilikum Wunder.
Es ist wie eine Offenbarung: Ich lerne jeden Tag Neues hinzu.
Während der Löwe aus Mitternacht siegreich durch die ‹Pfaffengasse›, die katholischen Territorien entlang von Rhein und Main jagte, sichteten Dorfbewohner an etlichen Orten in Süddeutschland bei Sonnenaufgang einen langen schwarzen Strom am Himmel. Panischer Schrecken packte die Menschen, denn sie erkannten die Erscheinung als ein Vorzeichen für schlimme Zeiten.
Drittes Buch
Durch verheertes Land
(Oktober 1633 – November 1638)
21
Schweidnitz, den 1. Oktober
anno Domini 1633
Ich beginne ernsthaft zu zweifeln, ob Oberst von Arnim der richtige Mann ist, die Sache der Protestanten durchzufechten. Schon bei der schrecklichen Schlacht von Lützen im letzten Herbst kam unser sächsisches Regiment buchstäblich zu spät, so zögerlich war Arnim dem Hilferuf des Schwedenkönigs gefolgt. Wer weiß, vielleicht hätte Gustav Adolf – Gott hab ihn selig! – bei rascherem Sukkurs erst gar nicht sterben müssen.
Und nun liegen wir seit Wochen mit unserer Garnison in der schlesischen Festung Schweidnitz ein und stehlen dem lieben Gott den Tag, anstatt zu kämpfen. Das Ärgste indessen: Während Arnim mit dem Wallensteiner verhandelt und traktiert, sucht dessen Feldmarschall Holk, dieser dänische Überläufer und Judasbruder, Sachsen heim und verbreitet dort nichts als Grauen und Tod. Meißen, Schneeberg, Hof und Plauen soll er bereits genommen haben. Sieht Arnim denn nicht, dass mit dem Friedländer nicht zu verhandeln ist? Dass dieser Mensch durch und durch unberechenbar und verkommen ist? Lieber noch würde ich gegen den alten Tilly antreten, aber da hat einmal mehr eine Kanonenkugel den Falschen zerschmettert.
Überhaupt – ich bin enttäuscht von meinen wetterwendischen
Sachsen. Als der Wallensteiner damals, nur eineinhalb Jahre nach seiner schmachvollen Entlassung, aus der Versenkung kam wie Phönix aus der Asche, mit seinem neuen gewaltigen Heer, da hat Arnim viel zu rasch klein beigegeben: Ehe wir uns versahen, waren wir aus Böhmen und Prag wieder vertrieben. Seither geht das Gerücht, Böhmen wolle den Friedländer zu seinem König machen, und Arnim rühre sich nicht, da er heimlich mit Wallenstein über einen separaten Frieden traktiere. Andere sagen, Arnim sei nahe dran, ins kaiserliche Lager zu schwenken, um sich dann gegen die Schweden zu wenden. Diesen ganzen Sommer über, den wir in Schlesien verbracht haben, kam es denn auch zu keinem einzigen Gefecht mit den friedländischen Truppen.
Ist diesem Arnim noch zu trauen? Ist diesen Sachsen zu trauen? Ja, wenn Kursachsen ein anderes Haupt hätte – fast könnte man sagen, es ist nur ein Rumpf, der hin und her wackelt wie ein geköpftes Huhn. Der Kurfürst soll im Rausch sogar geäußert haben, er habe das gefährliche Bündnis mit den Schweden satt und wolle lieber zurück ins warme Nest des Kaisers. Zu etwas anderem als Saufen, Fressen und Wildschweine jagen ist dieser Schleppsack wohl auch gar nicht mehr fähig. Bei seinen stundenlangen Gelagen pflegt er stumm wie ein Fisch krügeweise Bier in sich hineinzuschütten, um hin und wieder seinen Hofzwerg zu ohrfeigen oder seinem Diener den Bodensatz des Seidels über den Kopf zu leeren als Zeichen, dass er ein neues Bier braucht.
Dieser Kurfürst ist niemals aufrichtig schwedisch gewesen und wird es niemals sein. Überhaupt herrscht eine wunderliche Gewohnheit bei den protestantischen Fürsten, nämlich die Güte und Milde des Kaisers zu preisen und in seiner Devotion zu verharren, während der ihnen das Brot aus der Hand reißt und den Kopf vom Hals!
Schweidnitz, zwei Tage später
Etwas Ungeheuerliches ist geschehen – ich habe Matthes wiedergesehen! Einmal schon, als nämlich Wallensteins Regimenter Prag zurückerobert hatten, hatte ich geglaubt, ihn zu erkennen. In jenem
Reiter in blitzendem Kürass, nur drei Pferdelängen hinter Wallenstein, das Gesicht ernst, beinahe leblos. Damals zweifelte ich noch, zu kurz war der Augenblick, um mir Sicherheit zu verschaffen, da wir uns nach dem verlustreichen Kampf eiligst zurückziehen mussten. Wie viele Stoßgebete hatte ich zum Himmel geschickt, dass ich mich getäuscht haben mochte!
Doch nun ist es Gewissheit: Er gehört zu Wallensteins Leibregiment, hat sich diesem Bluthund wieder mit Haut und Haar ergeben. Gestern
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