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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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ausgeliefert sein. Kein Zusammenkauern mehr in Kisten und Kofferräumen und verschlossenen Zimmern, während ich mich die ganze Zeit frage, ob diejenige Person wiederkommt und mich da herauslässt.« Keine Schachteln mehr.
    Simone streichelte ihren Arm. »Ah, chérie, ich verstehe deine Gefühle sehr gut, aber es wird nicht mehr für lange Zeit sein. Jetzt gehst du zu George und dann zu Betty und Gloria. Du kannst ihnen vertrauen. Sie werden auf deine Sicherheit achten.
    »Wie Stanton es getan hat?« Hannah sah, wie Simone leicht zusammenzuckte. »Und was ist mit der nächsten Person und der, die danach kommt? Kannst du mir in die Augen sehen und mir hundertprozentig versprechen, dass ich all diesen Menschen vertrauen kann?«
    Simone klang verzweifelt. »Was im Leben ist schon hundertprozentig? Und ja, ich vertraue allen. Und auf jeden Fall gibt es keine andere Möglichkeit.«
    »Doch die gibt es. Leih mir einen Wagen und gib mir die Adresse in Kanada. Ich werde nachts fahren und mich am Tag verstecken.«
    »Es tu folle?«, rief Simone aus und kreiste mit ihrem Zeigefinger um ihre Schläfe. »Niemals im Leben schaffst du es, über alle Grenzen zu kommen.«
    »Ich werde die Grenzen nicht an den Autobahnen passieren, ich werde Nebenstrecken fahren. Du kannst mir nicht erzählen, dass jeder einzelne Grenzübergang bewacht ist. Und wenn ich zur kanadischen Grenze komme, werde ich durch die Wälder laufen, wenn es sein muss. Ich werde mir schon was überlegen.«
    »Und das ist dein Plan?«
    »Das haben die Menschen schon immer so gemacht«, sagte Hannah mit mehr Selbstvertrauen in der Stimme, als sie wirklich besaß. Die Grenze zwischen den USA und Kanada war zwar durchlässig, allerdings hatten die Fortschritte beim thermischen Scanning, in der Biometrik und in der Überwachung durch Roboter die Zahl der illegalen Grenzübertritte drastisch reduziert. Trotzdem kamen immer noch einige über die Grenze. »Es gibt Wege, es muss sie geben. Und ich wette, du weißt, wo sie sind.«
    »Non. Das ist zu gefährlich.«
    Hannah wusste, dass Simone recht hatte, und dennoch war ihre Selbstherrlichkeit ärgerlich. »Ich bin fest entschlossen, das zu riskieren.«
    »Das mag ja sein, aber ich will dich nicht gefährden.«
    »Ich gehöre dir nicht«, erwiderte Hannah aufgebrachter, als es ihre Absicht gewesen war. Sie sah in Simones Augen einen Hauch von Verletzung, und es tat ihr sofort leid, aber tief in ihrem Innern tat es ihr nicht leid. Was sie gesagt hatte, war nichts als die Wahrheit. Sie gehörte nicht Simone. Sie gehörte niemandem, nur sich selbst.
    Hannah streckte die Hand aus, um Simones Wange zu berühren. »Verstehst du das nicht? Ich kann nicht wieder zurückgehen und abhängig sein, von anderen Menschen, die mein Leben bestimmen. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens damit verbracht, diese Person zu sein, und ich will es nicht mehr. Bitte hilf mir, das zu tun, was ich tun muss.«
    Simones Kiefer spannten sich. Schroff nahm sie Hannahs Hand und legte sie in ihren Schoß. »Ich kann das nicht zulassen, Hannah. Du weißt zu viel. Wenn sie dich kriegen, werden sie dir Drogen geben, und du wirst ihnen alles erzählen.«
    Bei der Vorstellung, wieder unter Drogen gesetzt zu werden, verlor Hannah ein wenig den Mut. Doch dann fiel ihr Blick auf den Nachttisch und den Gegenstand, der darauf lag. »Dann gib mir die Waffe und zeig mir, wie ich damit umgehen muss. Wenn sie mich erwischen, werde ich mich selbst töten, das schwöre ich.«
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte Simone, »aber ich kann dir diese Bitte nicht erfüllen.«
    Die Endgültigkeit in ihrer Stimme ließ etwas in Hannah aufbrechen, einen harten Kern aus Beharrlichkeit, so tief in ihr drin, dass sie bis jetzt nicht geahnt hatte, er würde existieren. Sie streckte die Hand aus und griff nach der Pistole, ihre Finger hielten den festen Stahl des Laufes umschlossen. Mit dem Lauf auf sich gerichtet sagte sie: »Dann mach du es. Denn ich will lieber tot sein, als noch einmal das Opfer anderer Leute zu sein.«
    Eine nahezu ungestüme Begeisterung erfasste Hannah, als ihr klar wurde, dass sie es wirklich so meinte, wie sie es gesagt hatte. Zum ersten Mal hatte sie Ansprüche an ihr Leben gestellt, wie sie es nie zuvor gewagt hätte. Noch nie zuvor hatte sie sich so lebendig gefühlt wie in diesem Augenblick, wo sie in einem billigen Motelzimmer nackt mit einer Pistole, die auf sie gerichtet war, dasaß. Zusammen mit einer Frau, mit der sie geschlafen hatte. Sie hatte sich

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