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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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und der Trinitätspartei. Schon kurz nachdem Pastor Dale leitender Pastor ihrer Gemeinde geworden war, hatte er sich zugunsten des trinitarischen Kongresswahlausschusses geoutet. Dieser gab die entscheidenden Stimmen für die Abschaffung der Todesstrafe gegen die vehementen Gegner, die Evangelikalen, ab. Hunderte von Menschen hatten darüber die Kirche verlassen, und die Eltern von Hannahs bester Freundin hatten ihrer Tochter verboten, sich weiterhin mit ihr zu treffen. Die Kontroverse ebbte irgendwann wieder ab, doch Hannahs Freundin hatte nie wieder ein Wort mit ihr gesprochen. Noch acht Jahre später war dieses Thema für viele Menschen mit Emotionen belastet.
    Die Stille im Esszimmer der Paynes wuchs ins Unerträgliche. Cole ließ den Blick über die Gesichter schweifen, bevor er Becca ansah. »Ach so, ihr stimmt mit Pastor Dale überein«, sagte er.
    »Rache ist mein, sagt Gott, der Herr«, antwortete Hannahs Vater. »Wir glauben, dass nur Gott Leben schenken kann, und nur Er das Recht hat, es zu nehmen.«
    »Unschuldiges Leben, ja, doch ein Mörder ist etwas anderes«, sagte Cole. »Es steht richtig in der Bibel: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu Seinem Bilde gemacht.« Er hatte den Blick nicht von Becca gewandt. Hannah konnte die Kraft seines Willens spüren, der auf Becca Druck ausübte.
    Becca zögerte und sah unsicher von Cole zu ihrem Vater. »So steht es in der Genesis«, sagte sie schließlich. »Und so auch bei Levitikus.«
    »Levitikus hat auch gesagt, dass Menschen fürs Fluchen zu Tode gesteinigt werden sollen«, warf Hannah ein. »Glaubst du das auch?«
    »Hannah!«, tadelte sie ihre Mutter. »Darf ich dich daran erinnern, dass Cole Gast in unserem Hause ist?«
    »Ich habe mit Becca gesprochen.«
    »So spricht man auch nicht mit seiner Schwester«, sagte Hannahs Vater in einem überaus enttäuschten Ton. Coles Augen und Mund waren hart, doch Beccas Ausdruck war eher leidgeprüft als ärgerlich.
    Hannah seufzte. »Du hast recht. Es tut mir leid, Becca und Cole.«
    Becca nickte zustimmend und wandte sich Cole zu. Das hoffnungsvolle Gefühl in ihren Augen machte Hannah klar, dass es nicht allein Verliebtheit war. Ihre Schwester konnte einen Konflikt zwischen den Menschen, die sie liebte, nicht ertragen.
    »Nein, es ist mein Fehler«, sagte Cole zu Hannahs Eltern. Sein Gesicht sah reuevoll aus, doch seine Augen, so stellte Hannah fest, sprachen eine andere Sprache. »Ich hätte dieses Thema von vornherein nicht ansprechen sollen. Meine Mama sagte immer: Im Zweifelsfall bleib beim Wetter. Und Gott weiß, dass mein Vater sein Bestes getan hat, um es mir einzutrichtern. Doch manchmal geht meine Zunge einfach mit mir durch, ich bitte vielmals um Verzeihung.«
    Becca strahlte und warf Hannah einen Blick zu: Siehst du? Ist er nicht wundervoll?
    Statt eine Antwort zu geben, schürzte Hannah die Lippen. Ja, sie sah es, und sie konnte nur hoffen, dass sie falsch lag. Oder dass Becca, wenn sie richtig lag, dies genauso sah.
    Doch Beccas Gefühle für Cole wurden nur noch stärker, und Hannahs ungute Gefühle ebenso, insbesondere nachdem ihr Vater verletzt worden war. Er lag zehn Tage im Krankenhaus und war danach einen weiteren Monat arbeitsunfähig. Seine Abwesenheit hinterließ eine Leere, die Cole bereitwillig ausfüllte. Er wurde, inoffiziell natürlich, der Herr im Hause, er war ständig da, um die undichte Spüle zu reparieren, die rostigen Türangeln zu ölen, Rat und Weisheiten von sich zu geben. Becca war entzückt und ihre Mutter dankbar, doch Coles ständige Anwesenheit im Haus irritierte Hannah über die Maßen.
    Mehr als alles andere missfiel ihr sein selbstherrlicher Umgang mit Becca. Ihre Eltern führten noch eine traditionelle Ehe gemäß den Aposteln: Eine Frau schaut zu ihrem Mann, wie die Kirche auf Gott schaut. John Payne war die unangefochtene Autorität in der Familie und zugleich ihr spiritueller Hirte. Trotzdem fragte er ihre Mutter in allen Dingen um Rat, und wenn er auch nicht immer ihrem Rat folgte, so erwies er ihr doch einen tiefen Respekt, was ihre Rolle als Gefährtin und Mutter betraf.
    Coles Haltung Becca gegenüber war eine andere, mit einem besorgniserregenden herablassenden Beigeschmack. Becca hatte niemals einen ausgeprägten Willen besessen, aber je länger sie mit ihm zusammen war, desto weniger Meinungen hatte sie, die nicht von ihm beeinflusst gewesen wären. »Cole sagt« wurde ihr zum Refrain.

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