Die Geächteten
Verchromter und hatte Hunderte weitere verprügelt und gefoltert. Die Faustkämpfer bestanden aus fünf unabhängigen Zellen, die Hände genannt wurden. Die Mitglieder trugen fleischfarbene Gummimasken. Jede prägte ein einzelner Schmiss bestehend aus dem jeweiligen Wappen: ein Stiefel oder eine brutale Faust, eine Keule, ein Messer, ein Gewehr. Jedes Mitglied war bereit und in der Lage, Menschen zu verstümmeln, zu töten oder am Leben zu lassen. Das hing allein vom eigenen Ermessen ab. Den einzigen Hinweis, den sie am Tatort hinterließen, war das Symbol, das sie ihren Opfern einbrannten oder einlaserten. Nur wenige der Faustkämpfer waren bis jetzt gefasst worden und noch weniger bekehrt worden. Die Anführer konnten ihrer Festnahme entkommen, weil sie von der Autonomie der Hände und der fanatischen Loyalität ihrer Mitglieder geschützt wurden.
Hannahs Eltern betrachteten die Faustkämpfer als blasphemische Gangster. Und auch Aidan vertrat diese Meinung. Mehr als einmal hatte er von der Kanzel herab gegen sie gewettert. Doch Hannah hatte andere Stimmen gehört, selbst in der Kirche, die deren Aktivitäten verteidigten. Sie hatte Argumente gehört wie »Irgendjemand muss den Abschaum doch beseitigen«.
»Du musst ihn verlassen«, sagte Hannah, wohl wissend, dass Becca dies ablehnen würde. Und selbst wenn sie wollte, hätte Cole niemals zugestimmt.
»Ich kann nicht.« Beccas Hand legte sich auf den Hügel, den ihr Bauch bildete. »Er ist der Vater meiner Kinder, Hannah. Und ich liebe ihn noch.«
»Wie kannst du das, wo du jetzt weißt, was er da draußen anstellt? Wie lange willst du noch das Blut aus seinen Hemden waschen?«
»Er ist erst seit einigen Monaten so. Wenn ich ihn verlasse, wird er niemals damit aufhören.«
»Die Faustkämpfer quälen und töten Menschen, Becca. Menschen wie mich.«
»Cole hat niemanden getötet.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Ich kann und ich weiß es.« Beccas Gesichtsausdruck wurde trotzig. »Ich weiß, was du von ihm denkst, aber mein Ehemann ist kein Mörder. Cole glaubt an die Unantastbarkeit des Lebens. Wenn ich bei ihm bleibe, kann ich ihm helfen, damit aufzuhören. Und ich helfe ihm. Manchmal, wenn er abends fortgehen will, und ich … ich ändere seine Meinung.« Ihr Gesicht hatte Farbe bekommen, und Hannah dachte: Ja, ich wette, ich weiß, wie , und war sofort zerknirscht. Wann war sie so grausam und zynisch geworden, ihrer Schwester und allen anderen Menschen gegenüber?
»Und wenn der kleine Cole und seine Schwester erst einmal auf der Welt sind«, fuhr Becca fort, »wird Cole ganz sicher nicht mehr Teil dieser scheußlichen Gruppe sein wollen. Er wird das dann nicht mehr brauchen, nicht mit zwei Babys zu Hause.«
Hannah wusste, dass sie Becca so nicht überzeugen konnte, und änderte deshalb ihre Taktik. »Hast du Mama und Papa davon erzählt?«
»Nein. Du weißt, dass Papa sich verpflichtet fühlen würde, Stellung zu beziehen, und ich fürchte mich davor, was geschehen könnte. Cole würde ihn nie verletzen, doch wenn die anderen herausfinden, dass er weiß …« Becca verlor den Faden und schaute auf den Tisch.
»Cole verletzt dich. Was sollte ihn davon abhalten, es wieder zu tun?«
»Er hat mir geschworen, dass das nie wieder geschieht.«
»Wow, jetzt fühle ich mich besser.«
»Hannah, er hat danach geweint, und ich habe ihn zuvor nie weinen gesehen. Wir haben seitdem jeden Abend zusammen gebetet.«
»Beten? Ist das deine Lösung?«, fragte Hannah.
Die verächtliche Bemerkung traf beide ins Mark. Becca starrte sie an, als wäre sie ein Alien mit einigen Tentakeln zu viel. Und Hannah nahm an, dass sie damit wohl gar nicht so falschlag. Es war noch nicht lange her, da hatte auch sie sich ganz selbstverständlich an Gott gewandt und ihn um Hilfe gebeten. Sie hatte wirklich geglaubt, dass Er an ihrem kleinen Leben so interessiert sei, dass Er eingreifen würde. Sie suchte nach dem Platz in ihrem Inneren, an dem Er einst gelebt hatte, und fand eine leere, zerklüftete Höhle. Ihren Glauben – nicht nur an Seine Liebe, sondern auch an Seine Existenz – hatte sie endgültig verloren.
»Oh, Hannah, was ist nur mit dir geschehen?« Beccas Gesicht war von ihren Tränen ganz nass, aber Hannah konnte nicht weinen, geschweige denn ihrer Schwester eine Erklärung liefern. Nicht dafür und auch für alles andere nicht.
Der angenehme Bariton des Hauscomputers ertönte und alarmierte sie. »Cole ist zu Hause«, verkündete er. Sie hörten, wie eine
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