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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Seuche, von der ich letztes Jahr in Frankreich gehört hatte. Viele Menschen waren daran gestorben. Jedoch nur an der Krankheit selbst und nicht an dem, was sie in den Köpfen der Erkrankten auslöste. Jene, die sie überlebten, sprachen von Visionen, die entweder furchterregend oder selig waren.
    Das heilige Feuer.
    Die Krankheit brannte von innen heraus nach außen: Erst schreckliche Schmerzen, dann folgten Krämpfe, und schließlich verlor man die Kontrolle über die eigenen Gliedmaßen. Einen
Tanz
hatte Monger es genannt, und das beschrieb sehr gut, was in Frankreich zu beobachten gewesen war. Man munkelte dort davon, dass der Zorn des Herrn eine gottlose Gemeinde gestraft hatte. Da ich darüber in Büchern nichts weiter hatte finden können, tat ich es als Übertreibung ab, die nur dazu diente, die Menschen zu erschrecken und an der kirchlichen Kandare zu halten.
    Nel hatte ein sauberes weißes Tuch auf dem Tisch ausgebreitet und holte ein kleines Messer und einen Holzlöffel aus ihrem Beutel. Dann ein Fläschchen mit Wasser, das sich rötlich färbte, wenn man es schüttelte. Es stammte aus der Blutquelle, wie ich annahm.
    Als Nächstes einen Kristallpokal und ein Stück Papier, gefolgt von einem Apfel und einem Becher aus Holz.
    Sie entkorkte das Tongefäß.
    «Sagt mir, woraus es genau besteht», bat ich.
    «Das Pulver? Es wird aus einem Pilz gemacht. Er wächst auf dem Korn, in diesem Falle auf der Gerste. Er sieht aus wie eine schwarze Ähre. Meine Mutter pflegte ihn in einem Mörser zu zerstoßen, zusammen mit … anderen Kräutern.»
    «Sie hat Euch gezeigt, wie man es herstellt?»
    «Nein. Niemals. Ich habe über ein Jahr gebraucht, bis ich die richtige Mischung herausbekam – was mich zu jener Zeit antrieb, war der Wunsch, die Qualen unserer Nachbarin Alice zu lindern, die an furchtbaren Kopfschmerzen litt. Sie hat die ganze Straße wach gehalten mit ihrem nächtelangen Stöhnen. In der Nacht, in der sie es nahm, gab es natürlich auch ein paar seltsame Laute zu hören, aber –» Sie sah zu mir auf. «Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr es nehmen wollt?»
    Ich nickte entschieden. Wenn Dudley erst wieder aufgestanden und ganz er selbst war, würde sich sicherlich keine Gelegenheit mehr dazu ergeben.
    «Es wird sowieso keine Wirkung bei mir zeigen», verkündete ich.
    Dann erzählte ich ihr von einem nächtlichen Experiment mit dem Absud aus Pilzen, die Jack Simm in unserem Obstgarten gesammelt hatte. Die kleinen, die im Herbst wachsen.
    «War das in London?»
    «In meiner Bibliothek in Mortlake. Ich dachte, wenn ich von all dem uralten Wissen umgeben bin, könnte sich die Wirkung … worüber lacht Ihr?»
    «Über nichts, Dr. John. Über gar nichts.»
    Ich brachte es fertig, ebenfalls zu lachen. Aber hatte mir Monger, als er über das Pulver der Visionen sprach, nicht auch gesagt:
Ich habe gehört, dass sogar der Ort, an dem es eingenommen wird, beeinflussen kann, wie es wirkt?
    «Wo soll ich es trinken?», fragte ich, da ich es schnell tun wollte, bevor ich es mir doch noch anders überlegen würde. «Soll ich es draußen einnehmen?»
    «Im Sturm? Das würde ich nicht tun. Ich habe von einem Mann gehört, der glaubte, der Regen hätte sich in einen Schauer aus Pfeilen verwandelt.» Sie sah mich an. «Ihr werdet die Kontrolle verlieren.»
    «Geht es dabei nicht genau darum?»
    «Ihr kommt mir nur wie ein Mann vor, für den ein gewisses Maß an Selbstkontrolle –»
    «Das könnte der Grund für alle meine Unzulänglichkeiten sein», sagte ich beinahe atemlos. «Das habt Ihr doch auch selbst angedeutet.»
    Und trotzdem hatte der Wissenschaftler in mir schon längst mit dem Gedanken gespielt, den Trank näher zu untersuchen, falls es mir gelänge, etwas davon mit zurück nach London zu nehmen. Hatte ich mich nicht schon längst gefragt, ob wohl der Wandel der Jahreszeiten die Wirkung zu beeinflussen vermochte oder wie sich die Konstellation der Gestirne zum Zeitpunkt der Einnahme auswirkte?
    Nel Borrow hatte sich über den Tisch gebeugt und löffelte etwas aus dem Tonkrug auf das Papier.
    «Die Menge darf nur so gering sein, dass sie für das ungeübte Auge kaum zu sehen ist, anderenfalls wären die Auswirkungen … Gott allein weiß, wie viel der Junge in Somerton geschluckt hat.» Sie hob den Blick. «Habt Ihr je von dem Elend gehört, das den Namen Antoniusfeuer trägt?»
    «Wisst Ihr darüber Bescheid?»
    «Ich weiß nicht, warum man es so nennt. Hatte der heilige Antonius Visionen?»
    «Alle

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