Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
seid.»
    «Das verstehe ich nicht.»
    Und, bei Gott, das tat ich wirklich nicht.
    An der Wand flackerte das Licht eines Blitzes auf, so plötzlich wie spontanes Gelächter.
    «Nun», sagte sie, «für mich ist es auch sehr schwierig, und ich schaffe es immer nur für ein paar Momente. Innerlich so ruhig zu werden, dass ich mir meiner Gedanken und Gefühle gewahr werde … aber zugleich diesen irdischen Dingen nicht mehr verhaftet zu sein. Sich davon loszulösen. Über dem zu stehen, von dem ich denke, dass es mich ausmacht. Wenn man diesen Zustand erreicht, ist man empfänglich für gewisse Dinge. So sagen sie zumindest.»
    «Wer sagt das? Woher wisst Ihr davon?»
    «Es gibt immer noch einige wenige, die hierherpilgern.»
    «Was ich damit sagen will … wir reden hier nicht von christlichen Praktiken, oder?»
    Es war eine vorsichtige Frage. Ihre Antwort war es nicht. Der Donner grollte. Aber zwischen uns gab es keine Anspannung. Sie legte die Handflächen aufeinander.
    «Sprach ich denn von
christlichen
Pilgern?»
    «Fahrt fort.»
    «Manchmal kommen Reisende … aus abgelegenen Ländern hierher, die so weit entfernt sind, dass ich noch niemals von ihnen gehört habe. In jedem Fall weiter weg als Frankreich, Spanien oder die niederen Lande. Sogar noch ferner als das Land, aus dem der Mann aus Arimathäa herreiste.»
    «Aus dem Osten?»
    «Manche.»
    «Ihr meint heilige Männer? Weise aus dem Morgenland?»
    «Auf – wie nennt man sie noch – Kamelen? Ganz in Seide gekleidet?» Sie lachte. «Lumpen trifft es eher. Und sie kommen zu Fuß. Besitzen keine Reichtümer, außer im Geiste. Wir geben ihnen Unterkunft und zu essen. Sie besuchen unsere geheiligten Stätten, trinken aus unseren Quellen. Und lassen uns teilhaben an ihrer … Lebensart.»
    «Weiß Fyche –»
    «Gott bewahre, nein. Obwohl früher auch einige die Abtei besucht haben und sich mit dem Abt und den ehrwürdigen älteren Mönchen trafen.»
    «Auch mit Eurer Mutter?»
    «Das ist möglich.»
    Ich befeuchtete meine trockenen Lippen.
    «Nel, was hat Eure Mutter angepflanzt?»
    «Überwiegend hat sie Kräuter von den Feldern und Hecken gesammelt. Mehr als sie selbst angepflanzt hat. Sie suchte immer Heilmittel gegen die Pocken und die Wollkämmer-Seuche. Ihre Anstrengungen kannten praktisch keine Grenzen.»
    «Und das Pulver der Visionen?»
    Die ersten Regentropfen klatschten an die Scheibe.
    «Oh,
das
», entgegnete sie.
    «Vielleicht wurde ja auch ich hierher geschickt, um zu lernen.»
    Sie gab keine Antwort.
    «Zur Zeit Eurer Mutter hätte ich sie wohl genauso angefleht wie Joan Tyrre, um ein Fläschchen …»
    Nel schnürte ihren Umhang auf. Er glitt zu Boden. Meine Hände zitterten.
    Sie beugte sich zu ihrem Beutel hinunter und ließ eine Hand darin verschwinden. Als sie sie wieder herauszog, hielt sie darin ein kleines verkorktes Tongefäß.
    «Ihr meint das hier?»
    Nun hatte uns der Sturm tatsächlich erreicht.
     
    †
     
    Ihr haltet es für verrückt, dieser Frau mit ganzem Herzen zu vertrauen?
    Vielleicht habt Ihr recht. Vielleicht brannte in jener Nacht
tatsächlich
der Wahnsinn in mir, hervorgerufen durch all die langen Jahren ungestillten Verlangens. Sobald ich von diesem Pulver der Visionen gehört hatte, wusste ich, dass ich die Stadt nicht verlassen konnte, bevor ich es an mir selbst ausprobiert hatte.
    Allerdings wäre ich nie darauf gekommen, dass Nel es stets in ihrem Beutel mit sich herumtrug.
    «Es hat sich bei schwangeren Frauen als sehr wirksam erwiesen, wenn das Kind nicht kommen will», erklärte sie. «Und es hilft auch jenen, die danach an starken Blutungen leiden.»
    «Ist das die übliche Anwendung?»
    «Es wirkt ebenso bei schlimmen Kopfschmerzen, die grundlos auftreten und von hellen Lichterscheinungen begleitet werden.»
    «Hat Eure Mutter das entdeckt?»
    «Selbstverständlich nicht. Es ist in der einen oder anderen Form schon seit alters her bekannt. Es wundert mich, dass Ihr bei Euren Studien noch nie darauf gestoßen seid.»
    «Um der Wahrheit Genüge zu tun, bin ich das wohl tatsächlich», antwortete ich.
    Während ich Nel Borrow dabei zusah, wie sie eine Vielzahl von Dingen aus ihrem Beutel auf dem kerzenbeschienenen Tisch ausbreitete, erinnerte ich mich wieder daran. Etwas darüber gelesen hatte ich nicht, man hatte mir nur davon erzählt. Ich war skeptisch gegenüber allem, was nicht in Büchern geschrieben stand. Aber was sonst hätte es sein können?
    Ignis sacer.
    Eine weniger häufige, aber schlimme

Weitere Kostenlose Bücher