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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Seelen.
    «Joan wartet schon ewig darauf, dass er sie in einer Sturmnacht mit in seine Hallen nimmt und zu seiner Braut macht», sagte Nel.
    Sie lachte und offenbarte dabei ihre übereinanderstehenden Zähne wie eine Vertraulichkeit. Dann zog sie sich die Kapuze über den Kopf.
    «Geht nicht fort.»
    Sie hob eine Augenbraue.
    «Bleibt hier.»
    Mit einem bedauernden Lächeln schaute sie hinauf zu den Eichenbalken an der Decke.
    «Es war wirklich großzügig, dass Cowdray mich hier schlafen lassen wollte. Aber ich nehme das Angebot lieber nicht an. Die Dachkammer hier …»
    «Ist wahrscheinlich kalt und muffig. Trotzdem …»
    «Und man findet dort keine Ruhe. So erzählten jedenfalls die Pilger und Reisenden früher. Knallende Türen, auch wenn es gar nicht zieht. Das Weinen eines Kindes. Knarrende Dielen, als würde ein Unsichtbarer darübergehen.»
    «Es spukt?»
    «So sagt man.»
    Ich dachte bestimmt eine volle Sekunde darüber nach.
    «Dann bleibt in diesem Zimmer», sagte ich. «Während ich die Nacht dort oben verbringe.»

XXIX Der Sturm
    D ie Wände wurden erneut ins weiße Licht des Blitzes getaucht, und noch bevor es erlosch, ertönte schon mächtiger Donner. So laut wie er war, musste das Gewitter jetzt genau über uns sein.
    Vielleicht in der Dachkammer. Spirituelle Manifestationen fanden ja immer ein Stockwerk über mir statt. Das ist seit jeher so gewesen. Ich kam mir vor wie ein Narr – in dieser Nacht, die mit ihren zuckenden Lichtern nichts im Dunkeln lassen wollte, wurde meine Eselei nur allzu offensichtlich.
    «Und Ihr hättet keine Angst, die ganze Nacht dort ganz allein zu verbringen?», wollte sie wissen.
    «Nach meiner bisherigen Erfahrung zu urteilen, ziehen Geister es wohl vor, mir aus dem Weg zu gehen.»
    Sie sah mich an, die Hände unter ihrem Umhang verborgen, der Beutel zu ihren Füßen. Die Kapuze war ihr in den Nacken gerutscht, und sie hatte den Kopf schräg gelegt, als würde sie eine Rarität begutachten.
    «Vielleicht sucht Ihr zu angestrengt ihre Gesellschaft.»
    In meinem Kopf hörte ich erneut Dudleys Stimme:
Kannst du dir vorstellen, wer der letzte Mensch auf Erden ist, dem ich als Geist erscheinen würde? John Dee.
    «Es liegt wohl eher daran, dass ich bloß ein langweiliger Bücherwurm bin, dem die Gabe fehlt, sie sehen zu können», sagte ich traurig.
    Dann stand ich auf, denn in meiner Schmach fühlte ich mich ganz klein. Dudley kam mir erneut in den Sinn, wie er in seiner Barke saß:
Ist John Dee nicht der größte Abenteurer von allen? Ein Mann, bereit, die Grenzen dieser Welt zu überschreiten …
    In Wirklichkeit jedoch war ich ein Schwindler, nur ein Windei mit einer großen Bibliothek. Und das einzige Mal, dass Dudley aufrichtig über mich gesprochen hatte, war bei meiner inszenierten Verhaftung gewesen. Als er gerufen hatte:
Schafft diesen Hochstapler fort!
    «So, nun ist die Wahrheit heraus», sagte ich müde. «Obwohl man mir oft vorgeworfen hat ein Zauberer zu sein, bin ich nicht einmal in der Lage, jene zu sehen, die ich angeblich beschwöre. Vielleicht können andere die Nahtstellen zwischen den Sphären erkennen. Ich indes nicht.»
    Es war wahrscheinlich das erste Mal, dass ich das so offen zugab, und die Stille, die darauf folgte, ließ es mich sogleich bereuen. Obwohl mein Geständnis nicht mehr als ein jämmerliches Gemurmel gewesen war, kam es mir dennoch laut wie ein misstönender Orgelakkord vor, und voller Verbitterung.
    «Na, na, Dr. John.»
    Nel Borrow hielt noch immer den Kopf schräg. Sie schürzte die Lippen, sodass ihr Mund wie eine kleine Knospe aussah, um damit entweder Mitleid oder Spott zum Ausdruck zu bringen. Ich wünschte weder das eine noch das andere von ihr zu erhalten.
    «Erinnert Ihr Euch doch nur daran, was Euch oben auf dem Tor widerfahren ist …»
    «Ich bin gestolpert.»
    «Und wenn ich Euch vorher gesagt hätte: Seid vorsichtig, sonst bringen Euch die seltsamen Kräfte dieses Ortes aus dem Tritt … dann wäret Ihr vielleicht
nicht
gestolpert.»
    Ich schwieg.
    «Ihr denkt zu viel. Wägt immer alles Neue gegen das gesammelte Wissen in Eurem Kopf ab. Man könnte sogar behaupten, dass Ihr in Wirklichkeit
zu viel
wisst.»
    «Mistress, ich weiß nicht einmal halb so viel, wie ich gern wüsste. Wenn Ihr behauptet, dass ich alles, was ich je gelernt habe, und mich selbst vergessen soll, damit ich verborgene Dinge schauen kann –»
    «Euch vergessen? Nein. Wahrscheinlich ist es notwendig, dass Ihr Euch daran
erinnert
, wer Ihr

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