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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zurückgewichen, sodass ich nun ganz allein auf der Straße stand. Ich streifte meine Angst ab wie einen Mantel.
    «Und ich bin Dr. John von der Kommission der Königin. Ich kam in Begleitung von Sir Peter Carew in diese Stadt. Wenn dieser Mann hier ernstlich verletzt wird, kommt euch das teuer zu stehen. Jeden von euch. Habt ihr mich verstanden?»
    Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Matthew Borrow versuchte wegzukriechen.
    «Halt», befahl ich seinen Peinigern. «Lasst ihn gehen.»
    Ich erhob meine Stimme nicht, aber sie war deutlich vernehmbar. Eine ganz neue Ruhe machte sich in mir breit. Ich starrte dem Mann in Leder in die Augen und ließ erfolgreich einen langen Moment verstreichen, bevor ich wieder das Wort ergriff.
    «Ihr werdet jetzt verschwinden. Alle. Oder ihr könnt schon bald zu eurem alten Leben als Diebsgesindel zurückkehren.»
    Vielleicht lag es an meinem Ton – den ich gar nicht von mir kannte –, jedenfalls wäre der Mann in Leder beinahe einen Schritt zurückgewichen. Dann schüttelte er den Kopf.
    «Das sagt Ihr, Freund. Und da steht Euer Wort gegen meines. Und seines.» Mit dem Daumen deutete er auf einen seiner Kumpane. «Und seines.»
    «Ihr zählt gar nichts», sagte ich ruhig. «Ihr seid nichts weiter als eine gekaufte Meute. Jederzeit entbehrlich.»
    Obwohl ich unrasiert und mein Gewand in Unordnung war, ließ er sich anscheinend von meinem neuen Selbstbewusstsein beeindrucken, das ich mir selbst nicht richtig erklären konnte. Er schnaubte trotzig, wagte aber nicht mehr, mich anzusehen. Am Ende schob er seinen Dolch zurück ins Wams, während ich dort stand, wartete und … mich fühlte, als würde ich meinen Körper verlassen. Mir war, als sähe ich von oben auf die ganze Szenerie herab, auf all die ärmlichen Häuser mit den verwahrlosten Gärten.
    «Verpisst euch», zischte ich. «Bevor ich mir eure Gesichter merke.»
    Der Mann in Leder gab seinen Kumpanen ein knappes Zeichen und wollte sich an mir vorbeidrängeln. Ich bewegte mich nicht, und so prallte seine Schulter hart gegen meine, was zwar wehtat, aber mich auch mit merkwürdigem Stolz erfüllte, als er strauchelte.
    Ich widerstand dem Drang, mir die Schulter zu massieren, und hielt stattdessen seine Hände im Blick, als er die Balance wiedererlangte. Aber der Dolch kam nicht wieder zum Vorschein. Also beachtete ich ihn nicht weiter und schaute geradeaus. Ich bemerkte einen jungen Mann, der mich voller Verwunderung ansah. Und für einen Moment war auch ich verwundert, denn es kam mir vor, als hätte ich ihn schon einmal gesehen, wenn auch nicht in Wams und Hosen.
    Zwei Frauen, eine davon Joan Tyrre, halfen Matthew Borrow die Stufen seines Hauses hinauf. Aber er weigerte sich hineinzugehen. Er sah an der Kirche vorbei die Straße hinunter, sein rechter Arm hing schlaff herunter.
    Ich ging zu ihm.
    «Was in Gottes Namen hatte das zu bedeuten, Dr. Borrow?»
    Er begann zu husten. Die andere Frau neben Joan Tyrre antwortete für ihn.
    «Sie kamen im Morgengrauen, Sir, und trommelten gegen die Tür. Sie wollten das Haus durchsuchen.»
    «Mistkerle», knurrte Joan.
    «Bring ihn hinein, Joan», bat die Frau. «Sieh, was du für ihn tun kannst. Mach dir keine Sorgen, Matthew, ich kümmere mich nun um dich.» Sie sprach mit walisischem Akzent. Dann wandte sie sich wieder an mich. «Ich bin die Frau des Pastors und wohne dort drüben. Von dort habe ich beobachtet, wie es geschah. Sie hatten ihn schon überwältigt, noch bevor er die Tür ganz öffnen konnte.»
    «Aber sie
kannten
ihn doch. Als Doktor hat er wahrscheinlich einen ihrer –»
    «Nein, sie kannten ihn nicht», sagte die Frau des Pastors. «Die Männer sind nicht aus Glastonbury. Niemand hier kennt sie.»
    Das war nicht überraschend. Manche Männer würden Meilen reisen, nur um an Menschenjagd und Gewalttätigkeiten teilnehmen zu können. Außerdem bot sich immer die Gelegenheit für Vergewaltigungen oder Diebstahl.
    «In der ganzen Stadt wimmelt es von diesem Pack», klagte sie. «Während des Sturms letzte Nacht suchten sie in den Tavernen Schutz. Dutzende.»
    «Mistkerle», knurrte Joan erneut.
    «Dutzende?»
Ich folgte der Frau des Pastors die Straße hinunter. «Was haben die hier zu schaffen?»
    Unsicher sah sie mich an. Sie war von kräftiger Figur, und unter ihrer Haube konnte man hellbraunes Haar erkennen.
    «Das war ganz und gar keine gewöhnliche Nacht, Master. Mein Mann, der Pastor, hat seit den frühen Morgenstunden vor dem Altar um Vergebung gebetet. Die Last

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