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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sein musste und … Herr im Himmel, Dr. John, in was für Zeiten leben wir?»
    Woolly tippte an sein Auge.
    «Als sie anfingen, ihn zu verprügeln, hielt ich es nicht mehr aus, versteht Ihr? Ich dachte mir, ich schnapp mir einfach schnell das Buch und nehm die Beine in die Hand – hätte nich’ lange gedauert, bis ich sie abgehängt hätte. Aber Fyche hat mich gepackt und mein Gesicht gegen den Ofen geknallt. Wahrscheinlich hätten sie mir noch mehr angetan, wenn … wenn Worthy …»
    «Wenn Worthy nicht einen Anfall bekommen hätte», ergriff Monger das Wort. «Als hätte sein Herz einen Krampf.»
    «Der arme Bursche ist ihnen zusammengebrochen, der Sabber lief ihm aus dem Mund, seine Augen waren verdreht, und dann rief einer von ihnen:
Eine Teufelsfratze, eine Teufelsfratze! Seht doch, er ist von Dämonen besessen,
und ich schätze, da haben sie Angst bekommen und sind abgehauen. Worthy hat wie ein halbtotes altes Schaf geschnauft. Ich dachte mir, es wäre besser, Dr. Borrow zu holen. Aber er war nicht da.»
    «Mistkerle.»
    Joan Tyrre wirkte wie eine zerrupfte Amsel und trat von einem Fuß auf den anderen. Das erste schwache Kerzenlicht flackerte im Haus gegenüber vom Garten auf.
    «Als ich zurückkam, war der arme alte Scheißer tot», erzählte Woolly weiter. «Kann sein, dass er vorher schon krank war, aber wer weiß das schon. Sah aus wie das blühende Leben, dick wie er war, und tatsächlich war er nicht älter als … was schätzt du, neununddreißig?»
    Monger hatte sich nun etwas beruhigt. Mit dem Kopf deutete er auf Dudley.
    «Ist das Euer Kollege von der … Königlichen Kommission für Altertümer, Dr. John?»
    «Es geht ihm schon deutlich besser. Master Roberts … weiß alles, was auch mir bekannt ist.»
    «Dann sag ich ihm ebenso wie Euch, dass das erst der Anfang ist. Als Friedensrichter hat Fyche die Macht, gegen alle Unruhen und Krawalle der Stadtbewohner vorzugehen. Und von dieser Macht wird er bis zum Äußersten Gebrauch machen.»
    «
Gibt
es denn Krawalle?»
    «Alles kann als Krawall angesehen werden, sogar eine Trauergemeinde für den toten Bäcker. Ich sage den Leuten ständig, dass sie sich zurzeit von der Straße fernhalten sollen, aber sie hören nicht auf mich. Sie verstehen nicht, was bald geschehen wird.»
    «Vergebt meine Londoner Unbedarftheit, aber
was
wird denn bald geschehen?», wollte Dudley wissen.
    Monger ging zum Gartentor, warf einen Blick die Hauptstraße hinunter und kam dann zurück. Es war mittlerweile kälter geworden.
    «Der Sturm wurde zu einem Omen erklärt. Gleichzeitig hat man verkündet, dass Gott zornig sei, weil Glastonbury seine Heiligkeit als Heimstatt Jesu in England einfach so wegwirft. Wenn also Häuser durchsucht und Menschen geschlagen werden, dann liegt das eindeutig nur daran, dass Gott selbst allen Irrglauben aus der Stadt vertrieben sehen will.»
    «Und die Stadt kann wohl nur durch Geißelung erlöst werden?», erkundigte ich mich.
    «Für einen Altertumskundler und Beamten ist Euer Verständnis ländlicher Theologie erstaunlich scharfsinnig, Dr. John. Alles, was auch nur annähernd einer Versammlung gleicht, werden sie sprengen. Jeder, der bezichtigt wird, eine Hexe oder ein Zauberer zu sein, ob man ihn nun aus freien Stücken so bezeichnet oder unter Zwang … Nachbar wird Nachbar verraten.»
    «Gibt es niemanden, der dagegen seine Stimme erhebt? Was ist mit dem Pastor – auf wessen Seite steht
er

    «Der tut, was man ihm sagt. Es gibt zwei Pastoren, und einer davon ist ein ignoranter Dummkopf, der bei der Lesung des Evangeliums die Finger zu Hilfe nehmen muss.»
    Wie so viele andere. Wenn irgendeine Stadt in dieser schweren Zeit einen weisen und gebildeten Geistlichen gebraucht hätte, dann Glastonbury.
    «Wo ist Mistress Borrow?», fragte ich Monger.
    «In Wells. Am Montag tritt das besondere Assisengericht zusammen.»
    «Wie lautet die Anklage?»
    «Die ist bisher noch nicht verlesen worden. Sie wird aber so schwer sein, dass man die Todesstrafe fordern wird, sonst hätte sich Fyche selbst darum gekümmert.»
    «Und wer ist der Richter?»
    «Spielt das eine Rolle? Die stecken hier alle unter einer Decke.»
    Es war kurz vor Einbruch der Nacht, und die letzte helle Wolke verschwand hinter dem Glockenturm der Johanniskirche. Woolly sah hinüber zur Bäckerei.
    «Wir müssen die Leiche des armen alten Worthy da rausholen. Er liegt schon den ganzen Tag in der Ofenhitze.»
    «Damit sollten wir lieber warten, bis es ganz dunkel ist.

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