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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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den Tor ausgerichtet, dessen Zinnen den weiten Horizont krönten. Die Luft glänzte vom feinen Schimmer alchemistischen Taus. Und ich fühlte mich …
    Ich fühlte mich
nackt
. Ich wurde derart von meinen Gefühlen überwältigt, dass ich mich so schutzlos fühlte, als wäre ich vollständig nackt. Weil ich fürchtete, gleich zusammenzubrechen, wandte ich mich von Carew und Dudley ab. Da stand ich nun und ließ meinen Blick zum Horizont streifen. Die Sonne spiegelte sich auf Wasserläufen und Teichen bis hin zum Meer. All das ließ ich auf mich wirken, bis ich meine Fassung wiedergefunden hatte.
    «Was hat sie hier alles angepflanzt?», fragte mich Dudley.
    «Ihre Mutter zog über zweihundert verschiedene Kräuter», murmelte ich. Carews Kopf fuhr herum.
    «Wer hat Euch das erzählt?»
    «Das … habe ich vergessen. Vielleicht war es Fyche.»
    «Es gibt auf der ganzen Welt keine zweihundert Kräuter», brummte Carew.
    «Es gibt noch sehr viel mehr als nur zweihundert.»
    Und sie hatten hier guten Boden zum Gedeihen … und einen Überfluss an Wasser. Ich musste an den Kräutergarten der Visionärin Hildegard von Bingen denken, eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus gewesen war, da sie es nicht nur verstanden hatte, Erkenntnisse der Wissenschaft mit der Schöpfung in Einklang zu bringen, sondern auch melancholische Verstimmungen mit Hilfe von Pflanzen zu behandeln.
    «Ihr wollt wirklich wissen, was sie in ihrem Garten angepflanzt hat?», frage Carew mit einem schrägen Grinsen. «Ich zeige Euch, was sie verdammt noch mal angepflanzt hat. Wartet hier.»
    Er stapfte schnurstracks davon, aber ich kümmerte mich nicht um ihn und stieg stattdessen den sanft ansteigenden Hang hinauf. Ich spürte, wie sie neben mir ging, hörte das Rascheln ihres Kleides, das über das Gras strich, und folgte einer winterbraunen Hecke zur Spitze des Hügels, wo ich ein Holzkreuz bemerkt hatte.
     
    †
     
    Es stand kein Name darauf, aber ich wusste auch so, wessen Grab an diesem Ort liegen musste.
    So geborgen in ihrem Garten. Offenes Land mit Blick bis zum Meer, und auf der anderen Seite ragte der Tor auf, und dann die hohen goldenen Zinnen der Abtei.
    Ich drehte mich langsam um und sah sie dort unten vor mir liegen, ihre vergoldeten Bögen erstrahlten in staubiger Pracht.
Es war ein Paradies. Avalon.
    Auch dieses Grundstück hatte der Abtei gehört. So wie fast alles hier im Umkreis von Meilen einst der Abtei gehörte. Der Abt hatte Cate Borrow dieses Stück Land überlassen, damit sie hier ihre Experimente mit den Pflanzen und Kräutern fortsetzen konnte. Genau dieses Stück, mit seinem perfekten Ausblick auf die Abtei und den Tor auf der einen und all dem Marschland auf der anderen Seite … es schien fast, als ob dieser Boden vom Einfluss der geheiligten Stätten genährt wurde.
    Aber das war nicht alles. Dies hier war ein Platz, an dem sich alle Energien der Erde trafen. Wo christliche Heiligkeit und heidnisch Geweihtes sich begegneten. Ich spürte, dass mich das Pulver der Visionen schon einmal an diese Stelle geführt hatte. Was wäre wohl geschehen, wenn ich den Trank an einem Morgen wie diesem hier draußen eingenommen hätte?
    Das spielte jetzt keine Rolle mehr. Das Pulver der Visionen war nicht mehr als Schmiere für ein eingerostetes Schloss, damit die Tür sich wieder öffnen ließ. Eine erneute Einnahme war überflüssig, nun da die Tür offen stand … oder zumindest halb offen.
    Ich wurde von so brennender Sehnsucht ergriffen, dass es mir schien, als würde für einige Momente die Zeit stillstehen. Dieses Gefühl erlebte ich sonst nur, wenn sich mein Blick in der Unendlichkeit eines sternenklaren Himmels verlor. Und ich dachte daran, was die Kirche uns beibrachte: dass alles Leben nur zum Ruhme Gottes existierte und wir nicht in dieser, sondern in der nächsten Welt unseren Lohn erhalten.
    Aber die Menschen, die in der Stadt lebten, in der sowohl der Erlöser als auch Merlin geweilt hatten, wollten das nicht begreifen. Und wer mochte es ihnen verdenken, dass sie hier im Schutze einer uralten Magie zu der Überzeugung gelangt waren, dass es möglich war, jetzt und in
diesem
Leben eine Art Paradies zu finden.
    Das war die Ketzerei Avalons.
    Das, was Fyche am meisten hasste.
    «Liegt hier das Grab der Hexe?»
    Ich drehte mich um und sah Carew, der, die Arme hinter seinem Rücken verschränkt, auf den Zehen wippte. In seinen Augen funkelte tückische Bosheit. Dudley war bei ihm und machte ein düsteres Gesicht.
    «Ist ja

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