Die Gebeine von Avalon
Leichnam. Damit die Medizinstudenten in Bristol ihn aufschneiden können, behauptet er dann immer. In Wahrheit … bleiben die Leichen oft in seinem Haus. Für lange, lange Zeit.»
«Allmächtiger.»
«Ich rate Euch, haltet Euch von seiner Schlafkammer fern.»
Ich erinnerte mich an den starken Weihrauchgeruch am Fuße der Treppe zu seinem Obergeschoss.
Cowdray widmete sich wieder seinem Schrubber und tauchte ihn in den Wasserkübel.
«Er war hier und hat nach Euch gefragt, Dr. John.»
«Wann?»
«Gestern ein paarmal. Meinte, er habe gedacht, dass Ihr ihn noch einmal aufsuchen würdet.»
«Was habt Ihr ihm gesagt?»
«Dass Ihr ja wüsstet, wo Ihr ihn finden könnt. Und dass er sich ansonsten von meiner Schenke fernhalten soll.»
Cowdray zog den Schrubber aus dem Kübel und begann die Fliesen zu bearbeiten.
†
Ich begab mich nicht auf die Suche nach Benlow. Wenn er tatsächlich die Knochen besorgt hatte, die in Nels Kräutergarten vergraben worden waren, würde er das mir gegenüber ganz bestimmt nicht zugeben. Und so verbrachte ich den Rest des Vormittages allein mit meinen düsteren Gedanken.
Wodurch konnte ich Sir Edmund Fyche dazu bewegen, die gefälschten Beweise gegen Nel Borrow zurückzuziehen? Indem ich ihm das Geheimnis lieferte, das er Whiting hatte abpressen wollen?
Irgendjemand
musste wissen, worum es dabei ging.
Aber falls es bereits zu spät war, die Fälschung der Beweise zu belegen, dann blieb mir nichts anderes übrig, als vor Gericht zu gehen – ein fremdes Gericht in einer mir fremden Stadt –, wo ich meinen Fall einem feindlich gesinnten Assisenrichter vortragen musste, den Fyche sicher gut instruiert hatte.
Ich lehnte mich gegen die sonnenbeschienene Mauer der Abtei und dachte daran, wie ich selbst vor Gericht gestanden hatte. Man hatte mich des versuchten Mordes durch Zauberei beschuldigt. Die Anklage stützte sich nur auf fadenscheinige Beweise und meinen Ruf als Astrologe, da diese Wissenschaft zu jener Zeit von vielen noch als Ketzerei angesehen wurde. Im Vergleich dazu war die Anklage gegen Eleanor Borrow so solide aufgebaut wie die Mauer, an der ich lehnte.
Es sei denn,
sie
wusste es besser.
†
Gegen Mittag vernahm ich Hufgeklapper und eilte zurück zum Gasthof. Carew und drei Begleiter stiegen gerade vor den Ställen ab. Er drückte die Zügel einem Stallburschen in die Hand und lief über die Straße.
«Was jetzt schon wieder, Dr. John?»
Er wirkte vergnügt. Das war kein gutes Zeichen.
«Wart Ihr in Wells?»
«Das war ich in der Tat», antwortete er. «Es war ein höchst angenehmer Besuch dort. An einem solchen Tag wie diesem will man gerne glauben, dass sich unser Herr Jesus genau diesen Flecken von England ausgesucht hat.» Er sah mich nicht an. «Ich vermute, Ihr wollt wissen, wie es um Euer Treffen mit der Hexe steht.»
«Wann?»
«Sag Cowdray, er soll Fleisch ranschaffen», trug er einem seiner Begleiter auf. «Und seinen besten Cider, nicht diese Hundepisse.» Dann rief er mir über die Schulter hinweg zu: «Bedauerlicherweise … heute nicht mehr.»
«Wann dann?»
«Morgen auch nicht.»
«Carew, in –»
«Und wo wir gerade dabei sind, auch übermorgen nicht.» Er beugte sich zu mir, und ich konnte die Zähne in seinem vom struppigen Bart umrandeten Mund blitzen sehen. «
Niemals
, um genau zu sein.»
Ich fühlte mich, als würde mein Herz in eine eiskalte Quelle getaucht.
«Was sagt Ihr da?»
«Sie wünscht es nicht», erwiderte Carew heiter. «Die Hexe hat kein Verlangen danach, sich mit Euch zu unterhalten. Oder auch nur Euer käsiges Gelehrtengesicht zu sehen.»
«Ihr lügt.»
Ich fühlte mich ganz taub. Einer von Carews Begleitern schnappte hörbar nach Luft und trat einen Schritt zurück, während eines der Pferde seinen Darm entleerte und Carews Gesicht sich verfinsterte wie eine drohende Gewitterwolke.
«Was habt Ihr da gesagt?»
Ich ging direkt auf ihn zu.
«Ihr seid ein solcher Mistkerl. Woher weiß ich, ob Ihr überhaupt mit ihr gesprochen habt?»
Carew schien sich gar nicht bewegt zu haben, und erst als ich zu seinen Füßen im Dreck lag, begriff ich, was geschehen war. Carew massierte seine Faust, und mein Gesicht fühlte sich an, als ob mich eine Rinderhälfte getroffen hätte. Carew hatte endlich einen Vorwand gefunden, um das zu tun, was er sich schon seit Tagen wünschte.
«Woher Ihr das wissen sollt?», antwortete er dann. «Ganz einfach,
Doktor
: weil es Euch ein Mann von Ehre gesagt hat.»
Dann gab
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