Die Gebeine von Avalon
ihren Vater sehen will? Könnt Ihr auch ohne ihre Einwilligung vor den Assisen für sie sprechen?»
«Das würde nur schwerlich einen guten Eindruck machen. Aber ich kann es versuchen.»
«Unter Eurem wahren Namen?»
«Das ist das Hauptproblem», gab ich zu. Aber jetzt hatte ich ein anderes. «Joe … Ihr müsst mir helfen. Woran hat Cate Borrow gearbeitet, bevor sie inhaftiert wurde?»
«Ich weiß nicht viel darüber. Sie hat für ihre Arbeit gelebt.»
«Zum Beispiel?»
«Sie und Matthew haben zum Beispiel jahrelang versucht, ein Heilmittel für die Wollkämmer-Seuche zu finden oder herauszubekommen, wodurch sie entsteht.»
«Ich denke eher an etwas, das mit Landschaftsbeschreibung zu tun hat. Hat sie damals nicht mit Leland zusammengearbeitet?»
Monger ging durch den strömenden Regen auf den Fluss zu. Den Kopf hatte er dabei zur Seite gedreht. Zuerst dachte ich, er täte das, um sich vor dem Regen zu schützen. Dann bemerkte ich, dass der ihm nun aber genau ins Gesicht schlug. Er hatte sich von
mir
abgewandt. Ich schloss zu ihm auf.
«Es ist wichtig. Es gab etwas, das sich in Cate Borrows Besitz befand – oder von dem sie wusste – und das Fyche haben wollte. Etwas, woran sie mit Leland gearbeitet hat.»
«Ihr solltet darüber mit Matthew sprechen.»
«Das habe ich. Leland hat ihr … einige Aufzeichnungen hinterlassen. Matthew hat diese mit ihr zusammen begraben, weil sie unter gar keinen Umständen gewollt hätte, dass sie Fyche in die Hände fallen.»
«Hört sich nach einer privaten Angelegenheit an. Ich weiß darüber nichts.»
«Was sollte ein Antiquar von einer Gärtnerin wollen?»
Er ging so schnell auf das Ufer zu, dass ich dachte, er würde hineinspringen wollen.
«Es hat etwas mit Landkarten zu tun», sagte ich.
Nur wenige Zoll vor dem Wasser hielt er an. Er starrte in den Fluss, als sähe er darin Excalibur schimmern, Artus’ Schwert, das Sir Bedivere wieder im See versenkt hatte.
«Leland hat es bei uns allen versucht. Bei jedem, der in der Abtei gelebt hatte und immer noch in der Stadt war. Er wollte herausfinden, welches Geheimnis der Abt selbst unter der Folter nicht preisgeben wollte und weswegen er eines so grausamen Todes sterben musste.»
«Und was habt Ihr ihm gesagt?»
«Wir haben ihm gar nichts gesagt, weil wir nichts wussten. Diejenigen, die es vielleicht gewusst hätten, waren schon lange fort.»
«Wohin sind sie gegangen?»
«Überallhin. Manche nach Bristol, London … die besonders überzeugten Katholiken sogar nach Frankreich, wo sie ohne jede Verfolgung ihrer Religion nachgehen konnten. Wie auch immer, irgendjemand muss Leland jedenfalls gesagt haben, dass Cate viel Zeit mit dem Abt verbracht hatte.»
«So ist Leland dann Cate begegnet?»
«Nein, sie … kannten sich schon aus der Zeit, als er seine Liste der Abteischätze angefertigt hat. Ich glaube, ihm war damals ein Bein lahm geworden, und entweder Cate selbst oder Matthew hat sich um ihn gekümmert. Als er im Jahre vierundvierzig zurückkehrte, war er ein anderer Mensch. Ein Besessener. Ich schätze, er ist allen schrecklich auf den Geist gegangen.»
Ich kann immer noch sein bartloses Gesicht vor mir sehen, knochendürr wie eine römische Statue. Ich erinnere mich, wie er schrie: So begreift doch, ich bin nun mein eigener Herr!
Plötzlich ergab das alles einen Sinn für mich: Leland hatte versucht, Cate davon zu überzeugen, dass er nicht länger für die Krone arbeitete und dass nichts von dem, was sie ihm erzählte, weitergetragen würde.
«Als Ihr besessen sagtet …»
«Meinte ich nur, dass die Stadt und ihre Eigentümlichkeiten ihn vollkommen in den Bann geschlagen hatten.»
Ich erinnerte mich daran, wie Nels Vater es gesehen hatte: dass Leland nämlich bei seinem ersten Besuch nur die Schätze mitgenommen hatte und bei seinem zweiten gleich die ganze Gegend beanspruchte. Das könnte sich schlicht auf seine Aufzeichnung der örtlichen Eigenheiten bezogen haben. Aber wenn man an Lelands Interesse am Reich des Unsichtbaren dachte …
«Glaubt
Ihr,
Cate kannte das Geheimnis der Mönche, das Leland bei ihnen vermutete?»
«Das vermag ich nicht zu sagen. Auf alle Fälle stand sie dem Abt näher als irgendjemand anderes außerhalb der Abtei – und sogar näher als manch einer von
uns,
die wir in der Abtei lebten.» Mit dem Ärmel seines dunkelbraunen Gewandes wischte er sich den Regen und vielleicht sogar Schweiß von der Stirn. «Ich muss jetzt zurück, Dr. John. Sonntags besuche ich
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