Die Gebeine von Avalon
siehst aus wie ein sieben Tage alter Hundehaufen.»
Mitgefühl schwang in seiner Stimme mit, als er zum Fenster ging und es weit aufriss.
«Wie lange hast du geschlafen?»
«Fünf … sechs …?»
Dudley seufzte.
«Du meinst Minuten, oder?»
Ich hatte mit dem Kopf auf Lelands Aufzeichnungen gelegen, die nun vom Talg der Kerze ganz schmierig waren.
«Ich habe sie noch einmal genau unter die Lupe genommen, um ihnen auch den letzten möglichen Hinweis zu entlocken.»
«Und wenn das irgendjemand kann, bist du es.» Dudley rümpfte seine Patriziernase über den Gestank der heruntergebrannten Kerzen. «Los geht’s, alter Freund. Auf nach Wells?»
Dies war sicher der schwerste Tag meines Lebens, denn ich wusste, was er bringen würde. Schwerer als all die langen Tage, die ich als Gefangener in Hampton Court verbracht hatte, während ich auf meinen Prozess wegen Zauberei wartete. Ich fragte mich, wie Dudley sich wohl am Morgen des Tages gefühlt hatte, an dem das Urteil gegen seinen Vater bekannt gegeben werden sollte, schon im Wissen darum, wie es ausgehen würde. Wir hatten nie darüber gesprochen.
«Unten auf dem Tisch stehen Brot und Käse», sagte Dudley.
«Ich kann nichts essen.»
In der Nacht zuvor hatte ich Cowdray gefragt, ob in den letzten Jahren irgendjemand auf dem Tor gehängt worden sei. Irgendjemand.
Seit dem Abt nicht mehr, hatte Cowdray gesagt. Alle anderen hatte man in Wells hingerichtet. Auch Cate Borrow. Er sah mich sorgenvoll an, sagte aber nichts weiter. Der Galgen auf dem Tor war sicher nicht unbemerkt geblieben, auch wenn es schon dunkel gewesen sein musste, bevor er fertig war.
Wie hätte ich in dieser Nacht
schlafen
sollen?
«Die Pferde … sind bereits gesattelt», sagte Dudley.
«Gut.»
«Bist du immer noch entschlossen?»
«Ja, bei Gott, das bin ich.»
Ich erhob mich und griff nach Lelands Notizen. Ich hatte jedes noch so kleine Detail untersucht, meine eigenen Karten erstellt und alles getan, um die Aufzeichnungen zu entschlüsseln. Kopfschüttelnd dachte ich daran, wie unwichtig mir mein Erfolg dabei vorkam.
«Robbie …» Ich wischte mir die Haare aus der müden Stirn. «Falls es dich interessiert, ich glaube, ich weiß, wo die Gebeine von Artus zu finden sind.»
†
Wir ritten durch leichten Regen. Der silbrige Himmel wirkte so aufgewühlt wie eine Tonne voll wimmelnder Aale. Natürlich waren wir an diesem Morgen nicht allein auf der Straße. Abgesehen von den Karren voller Waren, trafen wir viele Reiter, die sich herausgeputzt hatten, als gingen sie auf ein Volksfest. Ich kannte keinen von ihnen. Es waren wohl Wollhändler und kleinere Gutsherren, die das Assisengericht als Ausrede dafür benutzten, um einen Tag in den Schenken zu verbringen.
Kurz vor der Dämmerung hatte Glastonbury wie betäubt gewirkt. Während wir darauf gewartet hatten, dass Cowdray unsere Pferde brachte, entdeckte ich Benlow, der über die Magdalene Street auf mich zukam, es sich dann aber anders überlegte, als er Dudley entdeckte. Ich lief ihm nach. Als ich ihn eingeholt hatte, packte ich ihn bei den Schultern und drückte ihn gegen eine Hauswand.
Ihr glaubt, mir helfen zu können?
Oh, ich kann Euch helfen, Mylord, darauf könnt Ihr Euch verlassen …
Benlow hatte gekichert, aber seine Stimme klang heiser, und er hatte schlecht ausgesehen. Er schwitzte. Vielleicht hatte er zu viel getrunken, wenn ich auch keine Fahne riechen konnte. Ich ließ ihn los, um vernünftig mit ihm zu reden.
Bitte … kommt mit nach Wells. Sagt den Assisen, dass Ihr die Knochen zur Verfügung gestellt habt, die in Eleanor Borrows Kräutergarten verteilt wurden.
Vor Gericht? In Gegenwart von Sir Edmund? Vielleicht mag ich ja krank sein, Mylord, aber ich bin ganz sicher nicht verrückt. Seid Ihr noch bei Trost?
Er schüttelte den Kopf, und ich sagte:
Wir können Euch beschützen.
Ich würde nicht einmal lebend aus Wells herauskommen.
Dann … könnt Ihr mir nicht helfen.
Ich kann Euch sagen, wo Ihr weitere Reliquien von Artus finden könnt. Ich kann Euch sagen, wo sich seine Gebeine befinden.
Das bezweifele ich, Master Benlow.
Ich schwöre es.
Schwört, so viel Ihr wollt.
Frustriert hatte ich mich abgewandt.
†
Als sich die anderen Reisenden auf der Straße vor uns befanden, sodass wir nebeneinander reiten konnten, zügelte Dudley sein Pferd.
«Was genau hast du vor?»
Ich hatte während der vergangenen Stunde über nichts anderes nachgedacht, aber mir war nichts Hilfreiches
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