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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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geschadet.
    Ich erinnerte mich daran, was Fyche an jenem ersten Nachmittag auf dem Tor gesagt hatte:
    Seitdem stört ihn das Gerede der Menschen nicht mehr, und er hört nur noch die Stimmen der Engel. Wie Ihr Euch vorstellen könnt, legt man auf seine Meinung in moralischen und geistlichen Fragen … großen Wert.
    Bruder Michael blinzelte, griff sich einen Kerzenständer vom Altar und hielt ihn neben mein Gesicht.
    Dann nickte er ernst.
    «Vergebt mir», sagte ich. «Als wir uns auf dem Tor begegneten, hat Euer Gastgeber es wohl nicht für seine Pflicht gehalten, uns einander vorzustellen.»
    Er antwortete nicht.
    Sein Alter? Ja, das müsste hinkommen, ungefähr im selben Alter wie meine Mutter, also fast sechzig. Sein Filzhut war verräterisch tief in die Stirn gezogen, was mich vermuten ließ, dass er kahl war.
    «Ich hätte mir denken können», fuhr ich fort, «dass Ihr hier seid. Die Gegend muss ja Euer Interesse wecken. Nicht nur wegen der ganzen Bücher aus der berühmtesten Bibliothek außerhalb Londons. Oder sogar jenseits von Paris.»
    Ich sprach weiter französisch mit ihm, weil ich nicht wusste, ob er Englisch konnte. Wahrscheinlich hatte man ihn deshalb zum Taubstummen erklärt.
    «Und abgesehen davon», sagte ich, «weiß ich, dass Ihr Euch für druidische Steinkreise und alte mystische Orte erwärmt. Von denen es hier wohl zahlreichere und beeindruckendere Beispiele geben dürfte als in Frankreich. Einer der Vorteile einer Insel.»
    Er hielt sich weiter am Kerzenständer fest … und schwieg.
    «Der Nachteil hingegen», sagte ich, «ist der Aberglaube der Menschen und dass sie den neuen Erkenntnissen der Wissenschaft weniger aufgeschlossen gegenüberstehen. Schon deshalb hat man Euren Aufenthalt hier wohl lieber verheimlicht – obwohl einige Euch gern empfangen hätten. Wir hätten so viele Stunden mit der Erörterung von Fragen der Astrologie, Alchemie und der Kabbala verbringen können …»
    Vielleicht glaubte er, ich wollte ihn mit diesen Fragen nur aus der Reserve locken, damit er mir meine Vermutung bestätigte, dass er wirklich Nostradamus war. Doch mit den Andeutungen war ich jetzt fertig und legte meine Karten offen auf den Tisch.
    «Zuerst bin ich nicht darauf gekommen, Ihr könntet zur selben Zeit an der Universität von Montpellier studiert haben wie Matthew Borrow – schließlich seid Ihr fast zehn Jahre älter. Doch dann fiel mir ein, was ich einmal gelesen habe: dass Ihr dort Eure Studien der Medizin vertieft habt … und zwar wart Ihr damals schon dreißig Jahre alt, richtig?»
    Als ich Matthew Borrow erwähnte, leuchtete es zum ersten Mal in seinen Augen auf.
    «Ich habe einige der Briefe gelesen, die Ihr ihm geschrieben habt. Gar nicht leicht. Wie zum Teufel vermochten denn die Apotheker Eure Handschrift zu entziffern? Ihr hättet ja jemanden vergiften können.»
    Die beiden Briefe, die ich bei Matthew Borrow gestohlen hatte, hatten beide keinen Hinweis auf ihren Absender enthalten, aber ich hatte mich in meiner freien Zeit mit der Wissenschaft der Handschriften beschäftigt. Die Analyse verschiedener Stile und Schriftarten hatte mir stets Freude bereitet.
    «Eure Handschrift ist jetzt noch schlimmer als bei den Manuskripten von Euch, die ich zu Hause habe», sagte ich.
    Lächelte er? Ich wusste es nicht, weil er in diesem Moment den Kerzenhalter sinken ließ.
    «Ich habe mir sagen lassen, dass Ihr Euch eine Bibliothek aufbaut», sagte er.
    «Sie steckt noch in den Anfängen.»
    Es schmeichelte mir absurderweise, dass er von meiner Bibliothek gehört hatte. Und auch von mir. Außerdem hatte er endlich angefangen zu reden.
    «An dem Tag auf dem Tor», sagte ich. «Wusstet Ihr da … wer ich bin?»
    Er überlegte etwas länger, als hätte ich ihm mit dieser Frage eine Falle gestellt, womit er gar nicht so unrecht haben mochte.
    «Nein», sagte er dann. «Damals noch nicht.»
    «Aber später vielleicht?» Was hatte ich schon zu verlieren? «Nachdem Fyches wahnsinniger Sohn dem Stallknecht meines Freundes unsere Namen abgepresst hatte? Und es danach für notwendig hielt, ihn zu töten?»
    Keine Antwort, und seine Augen konnte ich nicht mehr erkennen, aber ich machte weiter, spürte wieder die wilden Lichter in mir, die nun einen Tanz vollführten.
    «Wessen Idee war es, den Leichnam in die Abtei zu bringen und den Mord wie ein satanistisches Ritual aussehen zu lassen? Ich frage nur, weil es ein gewisses chirurgisches Geschick erfordert hat. Was dem Gericht auch dargelegt worden

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