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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Master Cowdray. Wir müssen es in der ganzen Stadt verbreiten. Dem armen Benlow kann deshalb nichts mehr passieren.»
    Cowdray sah mich ungläubig an.
    «Glaubt Ihr denn, die Leute hier wüssten das nicht? Wüssten nicht, was mit dem jungen Fyche los ist? Bei Fyche selbst sind sie vielleicht bereit, einiges zu vergessen, wegen seiner Mildtätigkeit, aber wie sich sein Sohn gebärdet, wenn er an einem Sommerabend zu viel getrunken hat, das haben alle miterleben können.»
    «Wo ist seine Mutter?»
    «Lange tot. Es heißt, Fyche und sein Sohn gehen zusammen nach Wells, um dort herumzuhuren.»
    «Weiß Carew davon?»
    «Denkt Ihr etwa, der hätte was dagegen?»
    «Nein, vermutlich nicht. Wie komme ich auf dem schnellsten Weg nach Meadwell? Ich weiß nur, dass es auf der anderen Seite vom Tor liegt.»
    «Falsch, Doktor.» Cowdray seufzte. «Es liegt nur vom Gipfel des Tor aus gesehen auf der anderen Seite. Meadwell befindet sich ungefähr eine Meile von der Stadt entfernt. Wenn Ihr den Pfad
hinter
jenem nehmt, der zum Tor führt, und Euch Richtung Osten haltet, landet Ihr genau vor den Eingangstoren.»
    Ich dachte an Borrow. Daran, wo er wohl steckte. Und daran, wo er vor bestimmt dreißig Jahren studiert hatte.
    «Wollt Ihr da etwa allein hin?»
    «Hier ist niemand mehr, der mich begleiten könnte. Nein, nein …» Ich hob die Hand. «Danke. Ihr bleibt in Eurer Schenke.»
    Cowdray schüttelte den Kopf.
Cowdray,
hätte ich am liebsten gesagt,
die wollen die Königin umbringen!
    Aber wenn er mich gefragt hätte, wer, hätte ich es ihm nicht mit Sicherheit beantworten können.
    «Es ist wohl niemand mehr da, der mich bewachen könnte, nehme ich an?», fragte ich. «Carews Männer?»
    «Die haben nie Euch bewacht, das ist Euch doch sicher klar.» Cowdray legte mir eine Hand auf die Schulter. «Passt auf Euch auf, hört Ihr?»
    «Ja. Habt Dank.»
    Ich trat hinaus auf die Straße. Ja, ich würde nach Meadwell gehen, aber nicht sofort.
    Unter dem dunkler werdenden Himmel lag die Stadt still da, die Straßen waren verlassen, in der Luft hing der Rauch wärmender Kaminfeuer. Ich machte mich auf nach St. Benignus. Das Haus des Doktors versank in der Düsternis einer frühen Dämmerung, als ich auf den Stufen vor der Tür meinen Dolch zog.
    Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, aber das Schloss war alt, und das Holz zersplitterte unter der Klinge.
    Drinnen war das Feuer im Kamin beinahe heruntergebrannt, doch es gelang mir, noch einige Kerzen daran anzuzünden, die ich dann auf dem Behandlungstisch abstellte. Ich hatte keine genaue Vorstellung von dem, wonach ich suchte, aber wenn ich es fand, würde ich es wissen.

LII Schachfigur
    W as hatte ich erwartet? Vielleicht nicht diese düstere Kargheit.
    Für jene, die nicht vollkommen unvermögend sind, ist dies, wie ich ja sagte, das erste Zeitalter des Lichts. Große Häuser haben große Fenster.
    Ganz anders als diese gemeinen Fensterkreuze von Meadwell. Ich stand am Torweg. Es war weit und breit niemand zu sehen, das Haus ragte vor mir auf wie ein schroffes Kliff im Zwielicht.
    Die Tore standen offen. Auch damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war vielmehr davon ausgegangen, dass ich mich mit einer unnachgiebigen Wache herumärgern würde, die ich dann dazu bringen musste, Carew im Haus eine Nachricht zu überbringen. Und bis der sich dann entschlossen hätte, zu mir herauszukommen, um mich entweder anzuraunzen oder mich mit Verachtung zu strafen … das hätte dauern können. Ich würde ihn zwingen, mich anzuhören. Und die bevorstehende Hinrichtung musste dann, mit Gottes Hilfe, verschoben werden, während man eine hoffentlich viele Wochen dauernde Untersuchung der neuen Beweise durchführte, die damit enden würde, dass die Schlinge sich um andere Hälse legte.
    Ich brauchte Carew, nicht Fyche. Hier draußen.
    Doch hier draußen waren außer mir nur die Eulen. Sie kreisten über dem Tal hinter mir am Himmel, der – eigentlich unfassbar nach einem solchen Tag – jetzt aufklarte.
    Trotzdem waren noch keine Sterne zu sehen. Ich war allein. Und ging auf das Haus zu.
    Ich hatte keinen Gedanken darauf verschwendet, dass Carew in dieser Sache mit drinstecken könnte. Dafür war er zu geradlinig. Es stimmte zwar, dass er auf dem Kontinent verschiedenen Fürsten gedient und abwechselnd für Armeen gekämpft hatte, die sich feindlich gegenüberstanden. Doch seit er nach England zurückgekehrt war, schien er sich nur noch den Interessen seines Heimatlandes verpflichtet zu fühlen.

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