Die Gebeine von Avalon
meiner Pastoratsstelle in Upton-upon-Severn enthoben, und – was für mich am schlimmsten war – Bischof Bonner persönlich sollte in meinem Fall eine
religiöse Untersuchung
vornehmen.
Äußerst brenzlig.
†
Er hat mich damals höchstselbst in meiner Zelle aufgesucht, um mir eine Frage zu stellen. Der Wache bedeutete er, uns allein zu lassen.
«Dr. Dee … seid Ihr der Ansicht, dass die Seele göttlicher Natur ist?»
Freundlich, ja, selbst damals war er freundlich zu mir gewesen. Viel später erst sollte ich herausfinden, dass er sich schon seit einer ganzen Weile für mich und meine Arbeit interessierte.
Ich wägte meine Antwort gut ab. Offensichtlich handelte es sich um eine Fangfrage. Wenn ich jetzt bestätigte, dass die Seele göttlich war, setzte ich mich damit an Gottes Stelle. Sagte ich aber nein, widersprach ich der Macht des Herrn und war somit zweifelsfrei ein Jünger des Satans. Beide Antworten konnten mich also auf den Scheiterhaufen bringen.
«Die Seele … ist nicht an sich göttlich», sagte ich nach einer gefühlten Ewigkeit angespannter Sekunden. «Sie kann jedoch göttlich
werden
.»
Sein Blick hatte sich in den meinen gesenkt, und ich vermeinte in Bonners Augen ein amüsiertes Aufflackern zu erkennen.
Gleich darauf war es jedoch wieder verschwunden.
«Und wie, Doktor, vermag die Seele diese Göttlichkeit zu erlangen?»
Ich wich seinem Blick nicht aus. Mir war klar, dass man ihn angewiesen hatte, mich auf protestantische Neigungen zu überprüfen. Darum war es bestimmt bei der ganzen Sache eigentlich gegangen. Marias Männer witterten überall Intrigen, die ihrer protestantischen Schwester Elisabeth den Weg zur Krone ebnen sollten.
«Durch Gebete», sagte ich. «Und Leiden. Und vielleicht … durch den Erwerb von Wissen.»
«Und welche Art Wissenserwerb würdet Ihr zu diesem Behufe vorschlagen?»
«Das Studium der Bibel …» Er wollte mehr hören, und ich wagte mich ein wenig aus der Deckung. «Und die heiligen Weisheitslehren der Juden.»
Nun konnte er sein Interesse nicht länger verbergen und schnappte aufgeregt nach Luft.
«Wie kann man hinter den Vorhang blicken, der diese Geheimnisse verbirgt?»
In den folgenden Monaten brannten viele Kerzen herunter, während wir dieser Frage nachspürten. Ich hatte Bonner für einen blutrünstigen Schlächter gehalten und entdeckte stattdessen einen Mann, der ernsthaft die menschliche Seele zu erforschen suchte.
Durch Bonners Faszination für das Reich des Unsichtbaren wurde ich vor dem Scheiterhaufen gerettet, und es entwickelte sich zwischen uns überraschend eine Freundschaft. Er machte mich sogar für eine Zeitlang zu seinem Kaplan, und wir verbrachten manche Nacht damit, die Kabbala und die alchemistischen Wissenschaften zu diskutieren.
†
Ich stand auf, ging hinüber zur Truhe und nahm mir den Spiegel. Darin sah ich einen blassen Mann mit mittellangem braunem Haar und einem Ausdruck in den Augen, den einige als Freundlichkeit deuteten, andere als Bekümmerung und ich selbst nun als … Verlorenheit.
«Sag mal, Ned … dir kommt doch viel zu Ohren …»
«Schon wahr, John, aber ich stelle mich immer häufiger taub.»
«Sind dir Gerüchte darüber zugetragen worden, dass jemand der Königin … durch Zauberei zu schaden sucht?»
«Was, so wie du ihrer Schwester Maria?»
Bonners Lachen erinnerte an ein zusammenstürzendes Gebäude.
«Mittels einer Wachsfigur in einem Sarg. Hergestellt mit einem Auge für gewisse Details. Wüsstest du von irgendjemandem oder von Kreisen, die möglicherweise planen …»
«Worauf willst du hinaus? Zauberzirkel oder Katholiken? Die Franzosen haben anders als wir keine Furcht vor Zauberei. Sollten sie der Meinung sein, dass sie Bess dadurch loswerden und stattdessen Maria Stuart auf den Thron bringen können, würden sie sich der Magie bedienen, und zwar ohne jede Zurückhaltung.»
«Habe ich von den Franzosen gesprochen?»
«Es sind doch
immer
die verdammten Franzosen. Die hassen Elisabeth mit Inbrunst. Und nachdem die schottische Maria nun auch noch deren jugendlichen König geehelicht hat … Frag irgendeinen Franzosen nach der englischen Königin, und er wird dir erzählen, dass sie eine Hexe ist. Genau wie ihre Mutter eben. Kinder des Satans … Und dass Elisabeths England eine Kloake schwärzester Magie ist.»
«Wer glaubt denn
das
?»
«Du meinst wohl eher, wer glaubt das
nicht
!» Bonner erhob sich halb. «Willst du mir etwa weismachen, der
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