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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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unverfänglichsten, sich mit jemandem wie ihr im Traume zu vergnügen.
    Eine Katze strich mir um die Beine, und in meinen Gedanken konnte ich noch immer das Lachen der Königin hören, sah, wie sie mir im Scherz auf den Arm schlug und ihr rotblonde Locken in die weiße Stirn fielen.
    Seid Ihr in der Lage, zu den Engeln zu sprechen, John?
    Nur in meiner Vorstellung, die von der Lektüre Tausender Bücher und Manuskripte geformt war, den absorbierten Gedanken, Ideen und der göttlichen Erleuchtung anderer. In Wahrheit jedoch war ich selbst nur zu wenigem befähigt. Ich wünschte, Dudley hätte sich die Mühe gemacht und sich eines der Exemplare des Pamphletverkäufers geschnappt, dann wüsste ich wenigstens, welche Art Visionen ich angeblich hatte.
    Das letzte Scheit war im Kamin verglüht, und im Raum herrschte eine Kälte wie in einem Verlies. Kündigte plötzliche Kälte nicht die Erscheinung eines ruhelosen Geistes an?
    Nur in meinen Träumen. Manche sind mit Fähigkeiten geboren, die denen der Engel gleichen, manche können die Toten wandeln sehen. Aber nicht ich.
    Ich drückte meine Handfläche auf das Pult, um die Taubheit aus dem Arm zu vertreiben, auf dem mein Kopf geruht hatte, und damit zugleich die gefährlichen Bilder, die sich in meinem Kopf eingenistet hatten.
    Dudley hatte recht.
    Wenn die Gebeine von Artus auf der Insel Avalon ruhten, mussten
wir
sie finden.

VIII Ohne die Mauern
    W er einmal brennendes Fleisch gerochen hat – menschliches Fleisch –, vergisst das nie.
    Oh ja, ich habe Menschen brennen sehen. Eingekesselt von einer geifernden Menge, der ich nicht entfliehen konnte, obwohl ich am liebsten weit, weit fort gewesen wäre. Ich habe den entsetzlichen Moment erlebt, in dem der Nimbus der Hölle aufleuchtet, wenn die Haare Feuer fangen, die Anspannung des Mobs sich mit einem lauten Brüllen entlädt und zahlreiche Taschendiebe an die Arbeit gehen.
    Doch selbst der Anblick dieses Grauens verblasst in der Erinnerung, bevor einem jemals der Gestank aus der Nase geht … ein ätzend süßlicher Geruch, der mich an diesem Tag wieder heimzusuchen schien, während ich von einem der Stiftsherren hereingeführt wurde.
    Diesmal allerdings nicht in das luxuriöse Empfangszimmer des Bischofs, sondern in eine kleine Kammer mit nacktem Mauerwerk, im Dienstbotentrakt seines Palastes in East London.
    «Willkommen in meiner Zelle», begrüßte mich Bonner.
    Er hatte immer viel gelacht, dieser kugelrunde Priester, der in den dunkelsten Jahren der Regentschaft Marias so viele Menschen auf den Scheiterhaufen geschickt hatte. Ehemals Anwalt, ein kluger Mann, weltlich … und was war nun aus ihm geworden?
    In der Kammer gab es ein einziges hohes, vergittertes Fenster, und ein niedriges, schmales Bett stand darin – kaum mehr als eine Pritsche. Dazu eine Truhe mit einem Wasserkrug und einem Spiegel darauf. An der Wand ein Regal mit vielleicht zwanzig Büchern. Ein Stuhl und ein Tisch, eine Kanne und ein Becher aus Steingut, und der süßliche Geruch, den ich wahrnahm, war … wahrscheinlich Wein.
    Bonner bedeutete mir, mich auf den einzigen Stuhl zu setzen, und nahm selbst auf dem Bett Platz. Dieser Tage trug er die bescheidene braune Mönchskutte; dennoch, der Gurt um seinen Bauch war golddurchwirkt. Das Licht, das durch die Eisenstreben fiel, ließ ihn leuchten.
    «Was ist das hier für eine Kammer, Ned?»
    «Das Fegefeuer!» Polterndes Gelächter. «Vorbereitung, mein Junge. Ich übe schon einmal.»
    «Aber du –»
    «Marshalsea, vermute ich. Ich war ja schon einmal dort. Hätte schlimmer kommen können. Fleet zum Beispiel.»
    «Wieso legst du den Schwur nicht einfach ab? Du warst doch nie ein begeisterter Gefolgsmann Roms.»
    «Nein, das ist wahr», bestätigte Bonner.
    «Und die Königin … du hast doch nichts gegen sie, oder?»
    «Ich bewundere sie aufrichtig, John.»
    «Und sie ist dir entgegengekommen. Sie will nicht das
Oberhaupt
der anglikanischen Kirche sein, sondern lediglich ihr Oberster Gouverneur. Es gibt keinerlei Verfolgung, die Katholiken können in private Messen gehen, und es haben keine Exekutionen mehr stattgefunden, seit sie den Thr–»
    «Weiche von mir, Satanas!»
    Bonner sprang auf und wedelte mit seinem wurstigen Zeigefinger herum. Dann ließ er sich wieder aufs Bett fallen, brach in Gekicher aus und schaute sich mit fast perversem Vergnügen in seiner Zelle um. Einen Moment lang überlegte ich, ob er wohl wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte, doch er wirkte so

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