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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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erledige.»
    Eine dünnes Stimmchen, aber dabei merkwürdig schrill, sodass sie durchdringend war wie lautes Flötenspiel.
    Zwar nenne ich sie Cousine, bin mir jedoch nicht sicher, was die genaue Art unserer Verwandtschaft angeht.
    «Ihr seid den ganzen Weg von Richmond hierhergeritten … nur wegen der Bücher?»
    «Es wäre besser», sagte Blanche, «wenn Ihr nicht allzu oft am Hofe gesehen würdet.»
    «Ist das die Ansicht der Königin?»
    «Es ist besser so.»
    Mich fröstelte plötzlich. Ein Blick in ihre kleinen schlauen Augen, die von feinen Linien eingerahmt waren. Mein Vater hatte einmal in weiser Voraussicht gesagt, dass unsere Verwandtschaft mit Mistress Blanche sich in Zukunft noch als Vorteil erweisen würde. Und tatsächlich kannte die Erste Hofdame die Königin schon, seit Elisabeth ein Säugling gewesen war. Damit besaß sie noch vor allen anderen Zutritt zum innersten Heiligtum.
    «Ihr findet, ich sollte mich besser im Hintergrund halten», sagte ich.
    Meine Mutter zog ob meines mangelnden Respekts die Stirn in Falten, Blanches Miene hingegen blieb unverändert.
Unveränderlich
hätte gewissermaßen als Wahlspruch auf Blanches Wappen stehen können.
    «Ich wollte lediglich andeuten», entgegnete sie, «dass es für die Königin besser wäre, wenn ihre Verbindung zu Euch nicht überall bekannt würde. Ihr stellt zu viele Dinge in Frage, Dr. Dee.»
    «Eine meiner Verfehlungen.»
    «Bitte vergebt meinem Sohn, Mistress Blanche», sagte meine Mutter schnell. «Manchmal glaube ich fast, dass John nicht immer ganz in dieser Welt lebt. Den Rest der Zeit verbringt er in den dunklen Sphären seiner verworrenen Vorstellungskraft. Nicht unbedingt gesund, wenn Ihr meine Meinung hören wollt.»
    Ich holte mir einen Stuhl. Meine verworrene Vorstellungskraft flüsterte mir nämlich ein, dass es hier nicht nur um Bücher ging.
    «Wie Ihr natürlich wisst, Mistress Blanche», erklärte ich, «ist die Königin eine höchst kluge Frau, die schon Schriften in Altgriechisch gelesen hat, bevor sie auch nur –»
    «Und ich hatte Euch für einen
höchst klugen Mann
gehalten, Dr. Dee», erwiderte Blanche schnippisch, «der begreift, dass es besser ist, wenn niemand ahnt, dass die Königin sich ein wenig zu hingebungsvoll mit gewissen Bereichen der Wissenschaften beschäftigt.»
    Ich schwieg dazu. Meine Mutter erhob sich.
    «Bitte entschuldigt mich, Mistress Blanche. Ich bereite noch etwas Heißes zu trinken für Euch zu, bevor Ihr wieder nach Richmond aufbrecht. Und auch für Eure Eskorte.»
    «Danke.» Blanche sah auf, ein schwaches Lächeln zog wie ein Nebelschleier über ihr Gesicht. «Es war schön, Euch wiederzusehen, Jane.»
    Meine Mutter nickte und ging hinaus. Ich ahnte, dass die beiden sich abgesprochen hatten, als Mistress Blanche mir bedeutete, auf dem Sessel meiner Mutter am Fenster Platz zu nehmen.
    «Wie ich höre, Dr. Dee, werdet Ihr in Kürze im Auftrag von Sir William Cecil auf eine Reise gehen.»
    «So ist es wohl.»
    «Ein guter Mann, der stets im Interesse der Königin handelt.»
    «In der Tat. Seine Sorge um sie gleicht der eines älteren Bruders.»
    «Und ist es richtig, dass … Lord Dudley Euch nach Somerset begleiten wird?»
    «Ein Mann, dessen Loyalität zur Königin» – ich sah ihr in die Augen – «ebenso außer Zweifel steht.»
    «Und dessen Ruf genauso schlecht oder womöglich gar noch schlechter ist als der Eure», sagte meine Cousine. «Wenn auch aus anderen Gründen.»
    «Mir scheint, Ihr haltet nicht viel von Diplomatie, Mistress Blanche.»
    Ich schob meinen Sessel näher ans Fenster. Im Schoße einer undurchdringlichen Wolke schwebte die müde Sonne über dem Fluss. Dudleys Verhältnis zu Elisabeth musste Blanche Kopfzerbrechen bereiten, auch wenn es hieß, dass sie schon oft als Übermittlerin von vertraulichen Briefen zwischen den beiden fungiert hatte.
    Doch obschon Dudley inzwischen zu mehr Frauen intime Beziehungen unterhalten hatte, als Kähne die Themse befuhren, war sein Ruf ebenso wenig der Grund für Blanches Besuch wie die Bücher über Artus.
     
    †
     
    Menschen, die aus einem Grenzgebiet stammen – ganz gleich, um welche Grenze es sich handelt –, suchen nie den geraden und offensichtlichen Weg zum Ziel, und es kann ewig dauern, bevor offenbar wird, welche Absichten sie tatsächlich verfolgen. Es liegt in ihrer Natur, weil sie gelernt haben, Unbekannten gegenüber vorsichtig zu sein. Im Grenzgebiet zwischen England und Wales bleiben sich sogar enge Verwandte

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