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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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dem Bild von George Ferres im Kostüm des Lord of Misrule. Das Ergebnis war ein wahnsinniger Narr mit einer gehörnten Schellenkappe und einem Stab, an dem ein Pinienzapfen hing. Als ich Jack Simm erzählte, dass mich manche in der Menge gern eigenhändig auf den Scheiterhaufen gebunden hätten, wirkte er nicht im Mindesten überrascht.
    «Ihr wisst doch, was für ein Durcheinander aus der Religion geworden ist. Viele einfache Menschen glauben nur noch an den Satan. Ich habe meine Apotheke aufgegeben, als das Gerücht ging, ich würde Liebestränke verkaufen. Damals kamen auf einmal alte Männer zu mir, die glaubten, pulverisiertes Widderhorn könnte ihren kleinen Freund wieder stehen lassen.
Dann besorg dir doch eines, verdammt!,
hab ich denen gesagt. Die Kerle haben ihre Stiefelspitzen angeglotzt und gemeint, für so was bräuchte es ja noch
was Besonderes,
damit es wirkt … Versteht Ihr? Und genau diesen schmalen Grat wollte
ich
nicht überschreiten.»
    Er schaute sich um, aber abgesehen von Krähen und Raben waren wir allein.
    «Es war natürlich völliger Blödsinn, dass man Euch unterstellt hat, Ihr wolltet Königin Maria mit schwarzer Magie umbringen. Aber gehen würde es schon, oder?»
    «Mord durch Magie? Dafür gibt es Präzedenzfälle.»
    Ich dachte dabei an Lord Henry Neville, den Sohn des Earls von Westmorland. Vor ungefähr zehn, zwölf Jahren hatte man ihn vor Gericht gebracht, weil er angeblich versucht hatte, sich durch Zauberei seiner Gemahlin und seines Vaters zu entledigen. Er habe die beiden beerben und mit dem Geld seine hohen Spielschulden begleichen wollen. Zu diesem Zwecke, so sagte man, habe er einen erfahrenen Magier bezahlt, einen Mann, der sowohl auf dem Gebiete der Zauberei als auch auf dem der Medizin sehr bewandert war. Auch fielen mir dabei jene Frauen ein, die, so hieß es, einen Todesfluch in Blut geschrieben und seine Wirkung durch tagelange Kontemplation und strengstes Fasten beschleunigt haben sollten.
    «Ich glaube …» Ich zögerte. «Der menschliche Geist ist ein mächtiges Werkzeug, das die Türen ins Unbekannte aufstoßen und dessen Kräfte lenken kann. Kräfte, die nützen … oder schaden können. Aber falls Ihr hören wollt, ob ich Derartiges zu bewerkstelligen vermag …?»
    Ich wandte mich ab und fühlte mich trotz all meiner Studiertheit, meines Wissens und meiner Erfindungen hilflos.
    «Herr.»
    Ich fuhr herum. Sie stand am Wegesrand und sah aus wie eine Waldelfe.
    «Catherine …»
Sie hatte sich in einen Schal meiner Mutter gewickelt. «Du bist zurück?»
    «Meine Mutter hat mit Eurer … mit Mistress Dee gesprochen. Jetzt ist alles wieder gut, Doktor.»
    Ihr Gesicht war dunkel verfärbt wie ein angeschlagener Apfel. Ich überlegte, ob es wegen dieser Sache wohl ein Zerwürfnis mit ihrem puritanischen Vater gegeben hatte.
    «Mistress Dee lässt fragen, ob Ihr bitte so schnell wie möglich nach Hause kommen könnt. Ihr habt Besuch.»
    «Wen?»
    Jeder Muskel in meinem Körper spannte sich an.
    «Jemand vom Hofe.» Catherine schenkte Jack ein zaghaftes Lächeln. «Master Simm.»
    «Na also», flüsterte Jack mir zu, als sie sich umdrehte und den Weg zurückging. «Jetzt könnt Ihr unbesorgt Eure Reise antreten.»
    «Ja», sagte ich. «Danke, Jack.»
    Unbesorgt. Natürlich.
     
    †
     
    In unserem Garten vor dem Haus waren fünf Pferde festgemacht, und neben dem Tor hielten vier Bewaffnete Wache. Sofort musste ich an den Tag denken, an dem man meine Räume durchsucht und versiegelt hatte und …
    Ergreift ihn!
    Fast wollte ich schon umdrehen und verschwinden, um Zeit zu gewinnen, dann aber fiel mir auf, dass zwei der Männer zum Gefolge der Königin gehörten – einer von ihnen grüßte mich respektvoll. Ich nickte und bekam nun wieder Luft.
    Nur vier Männer, es konnte sich also um keine sonderlich hochgestellte Persönlichkeit handeln. Abgesehen von der Königin selbst gab es nicht viele bei Hofe, denen ich glaubte vertrauen zu dürfen.
    Ich eilte hinein ins Haus, am Kaminfeuer in der Diele vorbei, und fand den Besuch in der Stube zur Flussseite: Zwei Frauen ungefähr gleichen Alters saßen beim Fenster und teilten sich einen Teller mit süßem Gebäck.
    «Cousine?»
    «Guten Tag, Dr. Dee», grüßte Blanche Parry. «Ich bin hier, um die Bücher abzuholen.»
    Sie stand nicht auf. Ihre dunkle Kleidung wirkte fast nonnenartig.
    «Aber … ich dachte, ich sollte sie selbst abliefern, die Bücher?»
    «Es ist diskreter, wenn ich das für Euch

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