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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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alles erklären. Einer von Cowdrays Söhnen brachte Heu in die Ställe. Sie bemerkte, dass ich ihren Arm anstarrte, runzelte die Stirn und krempelte den Ärmel herunter.
    «Ich werde in zwei Tagen noch einmal nach ihm sehen. Bis dahin muss er in seiner Kammer Bettruhe halten.»
    «Und wie soll ich ihn Eurer Meinung nach dazu bringen?»
    Sie lächelte. Ihre Vorderzähne standen leicht übereinander. Sie war jünger, als ich im schummerigen Licht des Gasthauses zunächst angenommen hatte. Ungewöhnlich bei ihrem Beruf – in London kannte ich keine Ärztinnen, ganz gleich welchen Alters, nur Heilerinnen, die heimlich praktizierten, und ich hatte nicht damit gerechnet, dass das hier draußen anders war.
    «Darf ich annehmen», sagte ich, «dass Ihr ihm ein Schlafmittel verabreicht habt?»
    «Nur einen harmlosen Trank, mehr nicht.»
    «Der was genau enthält?»
    «Hauptsächlich Baldrian und Hopfen.»
    Ich nickte. Jack Simm hätte dasselbe verordnet.
    «Die anderen Zutaten behalte ich für mich», sagte sie. «Schlaf ist für ihn die beste Medizin. Fleisch braucht er nicht, und es steht nicht zu erwarten, dass er danach verlangen wird – allerdings solltet Ihr darauf achten, dass er so viel frisches Wasser wie möglich trinkt. Und ein größerer Nachttopf ist wohl ebenfalls angezeigt, damit er das Fieber ordentlich ausscheiden kann. Oh … es würde außerdem nicht schaden, wenn er etwas Wasser aus der heiligen Quelle bekäme.»
    «Ach?» Warum man das Wasser bestimmter Quellen für heilig hielt, interessierte mich schon lange. «Sind Gebete denn nicht ausreichend?»
    «Das Wasser der Quelle ist bekannt für seine stärkende Wirkung. Es ist rot wie … Blut.»
    «Oder eher wie Eisen?»
    «Oder Eisen. Die heilige Quelle», sagte sie betont geduldig, «ist ja nur ein Name, den man ihr gegeben hat.»
    «Und wo befindet sich diese Quelle?»
    «Mister Cowdrays Sohn wird Eurem Diener den Weg zeigen.»
    «Ich glaube», sagte ich und wusste eigentlich nicht warum, «ich würde sie mir lieber selbst ansehen.»
    Sie zögerte einen Moment. «Ich könnte Euch hinbringen. Die Quelle liegt nicht weit von hier entfernt.»
    Zweifellos würde sie die Zeit, die es sie kostete, mich zur Quelle zu führen, auf die Rechnung setzen. Dennoch, mich beschlich ein unbestimmtes Gefühl, dass es das wert sein würde. Diese junge Frau erschien mir langsam doch nicht mehr wie ein vernagelter Pisseschnüffler.
    «Danke, Mistress …»
    «Borrow.» Sie schüttelte ihren Umhang aus, warf ihn sich um die Schultern. «Eleanor Mary Borrow. Wollt Ihr Euren Diener bitten, uns zu begleiten?»
    «Er ist nicht mein Diener.»
    Martin Lythgoe war hinaufgegangen, um nach seinem Herrn zu schauen, während ich die Ärztin bezahlen sollte. Das Geld würde ich zurückerhalten, sobald es Dudley wieder gut genug ging, um seine Börse zu öffnen.
    Mistress Borrow bückte sich nach ihrer Tasche, ich kam ihr zuvor.
    «Dürfte ich … die für Euch tragen?»
    «Wie Ihr wünscht.»
    In London hätte man es für unschicklich gehalten, wenn ein Mann mit einer jungen Frau, die er gerade erst kennengelernt hatte, einsame Spaziergänge unternahm. Mistress Borrow schien sich darum hingegen keine Gedanken zu machen. Weil sie Ärztin ist, vermutete ich.
    Die Tasche musste innen verschiedene Fächer haben, denn die Tränke und Schröpfgläser, oder was immer sie darin herumtrug, klapperten nicht, als ich mir den Trageriemen über die Schulter warf.
    «Darin befindet sich nichts, was ich verheimlichen müsste», sagte sie, «falls es Euch darum geht.»
    «Nein, nein, keineswegs, ich …» Selbst mein ungeschickter Versuch, meine Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen, wurde missverstanden. «Wo seid Ihr ausgebildet worden, Mistress?»
    «Oh …» Sie marschierte schnell über den Hof und auf das große Tor zu. «Ich habe viele Jahre studiert.»
    «Dafür scheint Ihr mir aber doch etwas zu jung zu sein.» Ich holte sie ein. «Ich meine, um
viele
Jahre studiert zu haben.»
    «Sieht man mir die sechzig Jahre denn nicht an?» Sie legte den Kopf schief. «Das Verjüngungselixier meines Vaters scheint wirklich Wunder zu wirken.»
    «In der Tat. Wie alt ist denn Euer Vater?»
    «Bestimmt schon fast neunzig inzwischen. Sieht aber aus, als wäre er kaum fünfzig.»
    Mistress Borrow drehte mir rasch den Rücken zu und entriegelte das Tor mit einem Geklapper, das beinahe – aber nicht ganz – übertönte, was mir wie ein Lachen vorkam.
    «Ihr tretet in die Fußstapfen Eures

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