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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Mistress Borrow ließ den Arm sinken und wandte sich ab. «Zur heiligen Quelle geht es dort entlang.»
     
    †
     
    Die meisten heiligen Quellen sind mit Mauerwerk eingefasst, und oft stehen Statuen daneben. Diese hier war vollkommen schmucklos. Um sie herum wuchsen in einem unregelmäßigen Kreis knorrige Apfelbäume, deren Äste sich miteinander wie zu einem schützenden Nest verwoben.
    Als ich mich zur Quelle neigte, konnte ich ihr Wasser mit ungewöhnlicher Kraft rauschen und sprudeln hören. Dunkelrot in meinen Händen. Ich kostete es: Eisen, genau wie ich erwartet hatte. Eisen gibt Kraft.
    «Es hat schon viele geheilt.» Mistress Borrow hockte sich in das feuchte Gras. «Viele Pilger.»
    «Auch Einheimische?»
    «Sogar Einheimische. Die beste Medizin schenken uns Steine und Hecken ganz umsonst. Nun versteht Ihr sicher, warum man diese Quelle zu Recht
heilig
nennen darf.»
    Ich sah in ihre grünen Augen und versuchte, nicht zu blinzeln.
    «
Wird
sie denn die heilige Quelle genannt?»
    «Nein.» Sie lächelte. «Man nennt sie hier die Blutquelle.»
    «Wessen Blut?»
    «Ah …»
    Sie legte einen Finger an die Lippen. Ich spürte meinen Puls rasen.
    «Was für ein Arzt seid Ihr eigentlich?»
    «Oh … manche würden mich nicht einmal als richtige Ärztin betrachten. Verglichen mit meinem Vater jedenfalls, der an angesehenen Universitäten studiert hat. Was weiß ich schon vom Aderlass oder der Regulierung der Körpersäfte? So gut wie nichts. Ich verstehe nur etwas von einfacher Chirurgie. Und von Kräutern. Was aber viel wichtiger ist, denn in allen Pflanzen wohnt das Leben und die Kraft des Taus. In manchen mehr als in anderen. Man muss wissen, wo und wie man sie zu anzubauen hat. Und wann.»
    «Was wollt Ihr damit sagen?»
    Mein Interesse wurde nun immer größer. Mistress Borrow wickelte eine Strähne ihres braunen Haares um einen Finger und sah mit einem Mal überraschend jung aus. Sie musste etwa Mitte zwanzig sein, wirkte aber in diesem Moment so jung wie die Hausmagd meiner Mutter, Catherine Meadows.
    Ihr Antlitz war … auf gewisse Weise nicht ganz symmetrisch, was in mir den Wunsch erweckte, es eingehend zu studieren und seine Proportionen zu berechnen.
    «Woher wisst Ihr, wann es die richtige Zeit ist, um bestimmte Kräuter zu ziehen?», fragte ich sanft.
    Für einen Moment wirkte sie wachsam, dann entspannten sich ihre Schultern, und es sprudelte aus ihr heraus.
    «Manch Kraut pflanzt man besser bei Neumond und erntet es dann bei Vollmond. Bei anderen ist es umgekehrt. Der Anbau kann auch mehr Ertrag erbringen, wenn gewisse Gestirne sich an bestimmten Himmelspositionen befinden. Die Heilkraft anderer Pflanzen wiederum wird verstärkt, wenn gewisse planetare … was ist mit Euch?»
    «Woher wisst Ihr von derlei Dingen?»
    «Von meiner Mutter. Aber» – in ihren Augen blitzte es trotzig auf – «ich habe auch
Bücher
darüber gelesen.»
    «Und wie seid Ihr an solche Bücher gelangt?»
    Ich dachte dabei an die Bibliothek der Abtei, die Leland so in Ehrfurcht versetzt hatte.
    «Gebt mir meinen Beutel», sagte sie. «Darin befindet sich ein Fläschchen, in dem können wir Wasser für Euren Freund mitnehmen. Verabreicht es ihm sparsam und lasst ihn zwischendurch größere Menge gewöhnlichen Wassers trinken. Nicht, dass das Wasser in Glastonbury wirklich … gewöhnlich wäre.»
    «Wieso das?»
    In London wird dieser Tage eher selten Wasser getrunken.
    «Weil … man sagt, dass die heilige Essenz, all das heilige Leben dieses Ortes … im Wasser fließt … Unterirdisch. Obwohl die Abtei in Trümmern liegt, ist der Ort selbst noch immer geheiligt. Es gibt gewisse Dinge, die kann man nicht zerstören. Dinge, die einem Ort
innewohnen

    «Es wird erzählt, dass unser Erlöser selbst dereinst über diese Hügel wanderte.» Ich gab ihr den Beutel. «Als er noch ein Knabe war.»
    «Ja.»
    «Ist der Ort deswegen heilig?»
    «Sagte ich, er sei heilig?»
    «Gewiss, Ihr sagtet geheiligt.»
    «Ich meinte, dass er Kräfte besitzt. Was mit seinem unterirdischen Wasserfluss zu tun haben könnte. Vielleicht hat man die Abtei nur deswegen hier errichtet. Wegen des ungewöhnlichen … das heißt, es könnte gut sein, dass unser Erlöser gerade aus dem Grund hierher gebracht wurde,
weil …
» Meine andächtige Schweigsamkeit war ihr nicht entgangen. «Oh – führt mich das etwa auf den Pfad der Ketzerei?»
    Ehrlich gesagt sah sie nicht aus, als würde sie das allzu sehr bekümmern. Sie zog einen kleinen

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