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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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wartete. Die Ruinen des Kirchturms schimmerten gespenstisch im sich lichtenden Nebel. Als würde er selbst aus Nebel bestehen. Oder aber aus Glas.
    «Ich sah mich gezwungen», erklärte Fyche, «ihre Mutter hängen zu lassen.»
     
    †
     
    Ja, ich hätte dazu noch einiges sagen können, aber dann hätte ich weiter in ihn dringen müssen und dabei vielleicht zu viel verraten. Für so etwas habe ich kein Geschick.
    Also ging ich langsam davon.
    Zunächst jedenfalls.
    Kaum aber waren Fyche und die Mönche außer Sicht, stolperte ich so schnell ich konnte den Teufelshügel hinunter, ließ meinen hektischen Blick hierhin und dorthin schweifen, folgte nicht weiter dem Pfad, sondern nahm einfach den direkten, steilen Weg, stürzte zweimal, bevor ich unten ankam, und taumelte schließlich über den Zauntritt zur heiligen Quelle. Holzsplitter drangen in das weiche weiße Fleisch meiner Hände, die sonst nur Buchseiten umblätterten.
    Ich rief nach ihr, der krächzende Schrei einer Eule, dennoch ohrenbetäubend in seiner Verzweiflung.
    Eleanor!
    Und dann auch …
    Nel …
    Niemand antwortete. Nur das kräftige Rauschen des Blutwassers war zu hören, das durch die Adern dieser gesegneten Erde rauschte.
    Es ist auf alle Fälle zutreffend, dass manche hier sehr schnell dem Wahnsinn anheimfallen.
    Wie viel Zeit war inzwischen verstrichen? Zwei Stunden? Drei? Oder waren Wochen und Monate vergangen, seit ich mit ihr hergekommen war – wie bei den Männern und Frauen, die behaupteten, ins Feenreich verschleppt … worden zu sein?
    Ich fiel auf die Knie, schluchzte fast, benetzte Gesicht und Augen mit dem Blutwasser.
    Lieber Gott, was war nur mit mir geschehen?

XVI Oh, wie ich die Toten liebe
    I m Inneren des Ladens waren nirgendwo Knochen zu sehen, nur ungegerbte Häute, und ich überlegte schon, ob man mich in die Irre geschickt hatte.
    Das Haus befand sich in einer kleinen, stinkenden Gasse, die von der sogenannten Magdalene Street abging, gegenüber vom ehemaligen Pförtnerhäuschen der Abtei. Der Himmel wurde immer dunkler, die schweren, angeschwollenen Wolken verkündeten Regen.
    Im Laden selbst aber war alles hell und weich: Überall hingen die Schafshäute und -felle, einige waren zu einfachen Kleidungsstücken und großen Hüten weiterverarbeitet.
    Und sollte das hier tatsächlich Benlow, der Knochenhändler, sein?
    Ich hatte ihn mir alt, dürr und in Lumpen vorgestellt, dieser Mann jedoch war gerade einmal so alt wie ich. Groß, blond und mit einem jungen Gesicht. Seine Kleidung war vornehmer als meine und entsprach kaum seinem Stand – mit der Silberbrosche in seinem Hut und den modischen Schlitzen in seinem Wams, durch die roter Stoff aufleuchtete wie eine Wunde.
    Er verbeugte sich und zeigte auf die Kleidungsstücke, die von Haken an der langen Wand hingen.
    «Schafspelz, Mylord?»
    «Schafs…?»
    «Lasst Euch nicht von dem milden Wetter heute täuschen, Ende der Woche wird es bitterkalt, das sagen die Schäfer, und niemand kennt das Wetter besser als ein Schäfer.»
    «Ich … ich besitze bereits einen Mantel», sagte ich.
    «Aus Schafspelz?»
    «Nun ja …»
    «Nicht? Dachte ich es mir doch!» Er stellte sich auf die Zehenspitzen, seine Stimme war leicht und schmeichelnd wie Daunenfedern. «Ich nehme an, dass Ihr nicht aus der Gegend kommt, Mylord? Aus London, was? Und noch nicht lange hier?»
    «Nicht einmal einen ganzen Tag.»
    Himmel, dabei kam es mir schon vor wie ein ganzer Monat!
    «War doch gleich der Meinung, dass ich Euer Gesicht noch nicht kenne! Die Winter in London sind kein Vergleich, Mylord, wirklich gar kein Vergleich damit, wie kalt es hier wird, wenn es schneit. Das könnt Ihr mir glauben. Und es gibt noch Schnee vor dem Frühling, so wahr wie ich hier steh. Ich will Euch keine Angst einjagen, aber, bei Gott, ohne ein warmes Fell um die Schultern könntet Ihr sterben, Mylord, da könnt Ihr fragen, wen Ihr wollt.»
    Er musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle, als würde er schon für meinen Sarg Maß nehmen. Sein Akzent klang eher nach London als nach dem Westen, was erklären mochte, weshalb Cowdray ihn mir auf meine Nachfrage gleich genannt hatte. Ich schwieg einen Moment, dann sah ich ihm in die Augen.
    «Niemand muss sich vor der Kälte fürchten», sagte ich ruhig, «wenn er die Liebe Gottes in seinem Herzen trägt.»
    «Ah.» Sein Gesichtsausdruck wurde sofort ernst. «Wie wahr, ja, wie wahr, Mylord.»
    «Ihr seid Master Benlow?»
    «Das behauptet zumindest meine Mutter.»
    «Ich bin

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