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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gefällt, wenn irgendetwas weiterverkauft wird. Bei besserem Wetter ziehe ich herum – natürlich in Begleitung eines großen, behaarten Freundes, denn der Diebstahl von Reliquien ist in manchen Gegenden noch immer ein großes Problem. Obwohl ich sicher bin, dass auf gestohlenen Reliquien ein Fluch lastet und die Diebe nicht besonders alt werden.»
    Er beugte sich hinab zu der Vertiefung im Boden, zog erst ein kurzes Brett heraus und dann noch ein zweites.
    «Reicht mir die Kerze, Mylord.»
    Ich erkannte eine Holzleiter, die in undurchdringliche Finsternis führte.
    «Nach Euch.» Benlow hielt die Kerze hoch. «Gebt acht auf Euren Kopf.»
    Ich hielt die Leiter fest umklammert, weil ich nicht wissen konnte, wie tief dieser Schacht sein mochte. Aber nach vier Sprossen stand ich mit beiden Füßen wieder auf dem Boden. Der Raum war kaum höher als ein … Grab. Und ebenso kalt.
    Und es roch auch so. Ein penetranter Gestank nach Erde und Feuchtigkeit, und mir kam es so vor, als wäre ich in eine Friedhofsgruft hinabgestiegen.
    Benlow reichte mir die Kerze hinunter. Ich sah, dass der Boden aus Erde bestand, in die grobe Steinplatten eingefasst waren. Die Holzdecke war nicht einmal hoch genug, dass ich hätte stehen können.
    «Links neben Euch befindet sich eine Bank», sagte Benlow. «Setzt Euch da besser hin, sonst könnt Ihr womöglich den Kopf nicht mehr bewegen, wenn Ihr nachher wieder hinauskommt. Ich sitze hier auch immer. Oder liege.» Er kicherte. «Nicht immer allein …»
    Er kam ebenfalls hinunter, klopfte sein Wams ab und dirigierte mich zu einer Bank vor einer Wand aus Bruchsteinen. Dann entzündete er zwei kleine Öllampen.
    Während ich unbequem auf der Bank Platz nahm, bemerkte ich, dass der Geruch nach Erde jetzt von etwas Süßlichem überlagert wurde. Ich drehte den Kopf, als das Licht aufflammte, und blickte geradewegs in eine grinsende Fratze. Auf der Armlehne der Bank saß ein menschlicher Schädel. Ihm fehlten die Kiefer, als hätte er die Zähne tief in das Holz geschlagen. Mein Ellbogen stieß gegen etwas Hartes. An der anderen Lehne befand sich noch ein Schädel, dieser mit einem Loch darin.
    Meine Augen gewöhnten sich langsam an das schummerige Licht, und jetzt erkannte ich, dass die Wand gar nicht aus Bruchsteinen bestand, sondern aus aufeinandergestapelten Knochen – Schädel und Becken und skelettierte Hände, alles durcheinander, und auf einige waren in schwarzer oder roter Farbe Nummern gemalt. Benlow ließ den Blick darüberschweifen und wackelte mit dem Zeigefinger, dann zog er etwas aus der Wand. Erst jetzt fiel mir auf, dass das Fett für die Lampe in einer umgedrehten Hirnschale schwamm.
    Benlow bemerkte, was ich fühlte, und grinste – ein Diadem aus kleinen spitzen Zähnen.
    «Aus dem Tode erwächst das Licht. Oh, wie ich die Toten liebe. Ihr nicht auch? Und wo auf der ganzen Welt würde ich angenehmere Gesellschaft finden als diese hier? Könnt Ihr mir das sagen, Mylord?»
    Er setzte sich neben mich, mit einem dünnen, gebogenen Knochen in der Hand, braun wie ein Weidenzweig.
    «Seht her, eine Rippe des heiligen Patrick, einer der Knochen, hinter denen sein edles Herz schlug. Wusstet Ihr, dass der heilige Patrick hier war? Und wie viele irische Mönche nach ihm? Und schaut hier …»
    Er öffnete die andere Hand. Die kleinen Splitter darin sahen aus wie Vogeldreck.
    «Die Zähne des heiligen Benignus, nach dem die neue Kirche benannt ist. Er war Patricks Erbe, wusstet Ihr das?»
    «Weshalb befinden sie sich nicht in der Kirche? Woher habt Ihr all diese …?»
    «Reliquien? In einer Kirche? Wo habt Ihr denn die ganze Zeit
gelebt
, Mylord?» Er nieste. «Da bahnt sich wieder diese verdammte Erkältung an. Ihr habt Euch übrigens noch gar nicht vorgestellt.»
    «Dr. John.»
    «Ein
Doktor

    «Kein Arzt. Sagt mir … was für Reliquien Ihr noch habt.»
    «So viele, wie Ihr wollt.»
    Ich schwieg und überlegte, wie ich am besten zum Thema kam. Er beugte sich zu mir. Die süßliche Duftnote kam von Benlow selbst, wie ich nun feststellte. Entweder hing der intensive Geruch in seiner Kleidung oder an seinem Körper. Es roch wie Weihrauch, vermischt mit Schweiß. Ich bekam es plötzlich mit der Angst zu tun und rutschte so weit wie möglich von ihm ab, ans andere Ende der Bank. Benlow neben mir lächelte, streckte seine Beine aus und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, die Rippe des heiligen Patrick auf seinem Schoß.
    «Ich habe hier auch …», flüsterte er, ohne

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