Die Gebeine von Avalon
mich anzusehen, «
Apostel.
»
«Hier in Glastonbury?»
«Viele berühmte Leute sind hergekommen, um hier in Gottes Gnade zu sterben. Das Sterben fällt leicht an einem Ort wie diesem, wo die Sphären nur durch einen hauchdünnen Vorhang getrennt sind.»
Ich zögerte nicht länger.
«Wie König Artus?»
Vielleicht lag es an meiner Anspannung, vielleicht auch nicht. Aber ich spürte, wie sich die Atmosphäre zwischen uns veränderte. Wie sie gestört wurde. Benlow setzte sich auf, tat gelassen, doch ich wusste, dass das nur vorgespielt war.
«Hundert Heilige liegen in dieser Wand», sagte er schlecht gelaunt, «und all diese Mistkerle fragen immer nur nach Artus.»
«Welche Mistkerle?»
Ich sah, dass er die vollen Lippen zusammenpresste.
«Wer hat Euch zu mir geschickt, Mylord?»
«Nur der Wirt vom George Inn und niemand anderes.»
Er sah mich an.
«Und wie soll Artus Eurem
kranken Freund
helfen?»
«Artus ist ein Symbol für Stärke und Mut. Mein Freund diente als Soldat.»
«Ich glaube, Ihr habt gar keinen kranken Freund.»
«Da irrt Ihr Euch. Und Ihr habt sicherlich auch schon von ihm gehört. Weil Ihr nämlich Augen und Ohren offen haltet, Master Benlow. Wie ein jeder es besser tut, der ein Geschäft wie das Eure betreibt.»
Er schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase.
«Und da hatte ich gedacht, so ein hübscher Bursche wie Ihr wäre einem kleinen Abenteuer nicht abgeneigt.»
«Wie bitte?»
«Ihr seid doch ein vielbereister Mann, das sehe ich Euch an. Und Ihr seid ohne zu zögern mit mir hier heruntergekommen. Das ist immer ein guter Test. Die meisten sagen mir einfach, was sie wollen, und warten dann oben im Licht auf mich. Aber ein Mann, der sich zu Dunkelheit und Tod hingezogen fühlt … Ich kann Euch versichern, hier unten unter den Toten erlebt Ihr ein wirklich seltenes –»
«Master Benlow!»
Oh mein Gott, so einer war er also. Louvain war voll von Männern wie ihm gewesen. Ich rückte von ihm ab und drückte mich gegen den Totenschädel.
«Master Benlow, wer war noch hier und hat nach den Gebeinen von Artus gefragt?»
«Und wer seid Ihr, dass ich Euch darauf eine Antwort schuldig wäre?»
«Ich gehöre zur Königlichen Kommission für Altertümer. Das sollte Euch reichen. Dennoch darf ich Euch versichern, dass ich kein Leland bin. Ich bin nicht hergekommen, um Euer Geschäft zu zerstören und Euch Eure Knochen wegzunehmen. Wie Ihr ja zutreffend bemerkt habt, sind Reliquien nicht mehr sonderlich beliebt.»
«Einmal abgesehen von Artus’ Knochen, wie es aussieht.»
«Also ist jemand auf der Suche nach seinen Gebeinen bei Euch gewesen?»
Er sagte nichts. Sein Gesicht war in gelbes Licht getaucht.
«Hattet Ihr sie hier?»
«Nein.»
«Wisst Ihr, wo sie sind? Oder wer sie bei der Zerstörung der Abtei mitgenommen hat?»
«Was die Gebeine angeht, kann ich Euch nicht helfen.»
«Und was soll das genau heißen?»
Er erhob sich halb. Sein Atem ging schwer.
«Wenn ich Euch gebe, was ich von Artus habe, verschwindet Ihr dann?»
«Das kommt darauf an.»
«Wartet.»
Er sprang auf und verschwand in der Dunkelheit des Raumes. Unruhig heftete ich meinen Blick auf die Leiter, falls er versuchen sollte, nach oben zu flüchten und mich hier unten mit den Toten einzusperren. Aber dann hörte ich, wie er herumkramte, Knochen herauszog und beiseitewarf. All diese Knochen, die nie irgendeinem Heiligen gehört hatten.
Der Raum, in dem wir uns befanden, war länger, als ich angenommen hatte. Im schummerigen Licht erkannte ich an seinem Ende eine Holztür. Eine Tür? Wohin mochte sie führen? Ich vermutete, dass wir uns schon in diesem Raum nicht mehr unterhalb des Gebäudes von Benlows Laden befanden.
Ich bin kein völliger Dummkopf und hatte deshalb gerade beschlossen, über die Leiter nach oben zu flüchten, als Benlow mit einem offensichtlich nicht sonderlich alten Holzkistchen wieder auftauchte, kaum groß genug, als dass einer von Artus’ Fußknochen hineingepasst hätte. Benlow kniete sich vor mich hin und nahm den Deckel ab.
«Seht her …»
Auf einem Stück Fell lag ein Splitter, allerdings nicht von einem Knochen, sondern aus Holz.
«Hier», sagte er.
«Was ist das?»
«Berührt ihn.»
Ich streckte den Finger aus. Das Holz fühlte sich hart an, Eiche vermutete ich, und war stark nachgedunkelt.
«Stellt Euch folgendes Bild vor», sagte Benlow anbiedernd. «Eine große Halle voller Banner, erleuchtet von tausend Fackeln. Hört, wie Erzählungen großer
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