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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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stinkt schon zum Himmel.»
    Ich rückte meinen Stuhl von der Wand ab und setzte mich so darauf, dass mich das Licht der Kerze nicht traf.
    «Er hat mir eine ganz offensichtliche Fälschung angeboten.»
    «Wer?»
    «Der Reliquienhändler. Ein Holzstück, angeblich von Artus’ Runder Tafel.»
    «Hast du je davon gehört, dass die tatsächlich noch existieren soll?»
    «Nicht im Zusammenhang mit Glastonbury. Und dass die in Winchester nicht echt ist, wissen wir beide.»
    Es war allgemein bekannt, dass es sich bei der riesigen Tafel in der Kathedrale von Winchester um eine Fälschung der Plantaganets handelte, wahrscheinlich aus der Zeit von Edward III ., der völlig fasziniert von Camelot gewesen war. Oder sogar von Edward I., der nach Glastonbury gereist war, um sich Artus’ Gruft anzusehen. Der Brodelnde Vulkan hatte dann noch weiter an dem Holzrund in Winchester herumgepfuscht und zur Zeit seiner großen Begeisterung für Artus das eigene Antlitz darauf pinseln lassen.
    «Dieser Benlow hätte mir auch weisgemacht, dass es ein Stück des Kreuzes Jesu wäre, wenn ich ihn danach gefragt hätte. Hier in Glastonbury ist es schwer, Wahrheit und Schwindel zu unterscheiden, ganz besonders, wenn man fremd ist in der Stadt. Nimm doch nur deinen eigenen Bes…»
    Ich verstummte. Jetzt hatte ich unklugerweise noch ein Thema angeschnitten, das mir den Schlaf raubte. Gut, nun war es ohnehin zu spät.
    «Robbie, als du gestern zur Abtei gegangen bist … du hast erzählt, du hättest da gesehen –»
    «Wann soll ich zur Abtei gegangen sein? Das wüsste ich aber.»
    «Ich habe dich vom Fenster aus gesehen. Du hast die Straße überquert.»
    «Das hast du nur geträumt.»
    «Du hast erzählt, du hättest einen alten Mann gesehen. Meintest, der alte Mann hätte auf dich hinabgeschaut, als würde er über dir in der Luft schweben, und dass du den Mond durch ihn hindurchschimmern –»
    «Ich war
krank
!» Dudley zog die Decke fester um sich. «Du willst mir doch jetzt wohl nicht meine Fieberträume vorwerfen?»
    «Was ist mit der Königin?»
    Er sah mich an.
    «Hat die Königin Visionen?»
    «Du spielst wohl gern mit deinem Leben, John?»
    «Man sagt, die Königin … sieht ihre Mutter.»
    «Wer sagt das?» Er versuchte sich zu erheben, sank aber wieder zurück. «Was für ein Mist wird jetzt wieder am Hof verbreitet?»
    «Ich würde nicht sagen, dass es bei Hofe verbreitet wird. Meine Quelle ist sehr … diskret.»
    Dudley schloss die Augen.
    «Anne Boleyn. Grundgütiger …»
    «Ist es wahr?»
    «Diese tollwütige Hure.»
    «Anne Boleyn?»
    «Sie hätte all das Gerede zum Verstummen bringen können. Das hat mein Vater immer gesagt. Aber vielleicht hat es ihr ja gefallen.»
    «Das Gerede darüber, dass sie eine Hexe sei?»
    «Auch. Sie dachte wahrscheinlich, das würde Heinrich besonders gefallen. Ihren Reiz für ihn steigern. All diese Gerüchte, sie hätte einen zusätzlichen Finger und dergleichen. Und Leberflecken. Man sagt, einer wäre behaart gewesen und hätte die Form eines …» Er schloss die Augen. «Vielleicht
hat
es ihm auch wirklich gefallen. Seine Lanze gehoben. Eine Zeitlang zumindest. Bis sie seine Frau wurde – dann musste das ja alles sein Ende finden. Aber, bei Gott, wenn irgendjemand denkt, dass Bess …» Dudley öffnete wieder die Augen und sah mich fest an. «Wenn du ihr nicht helfen kannst, tust du besser daran, die Angelegenheit zu vergessen, das ist dir doch klar, John, oder?»
    «Helfen?»
    «Ach richtig, du machst dir ja nichts aus Seelsorge. So sagtest du doch, oder?»
    «Königin Maria –», begann ich.
    «Ich dachte immer, Maria würdest du ebenfalls lieber vergessen.»
    «Hast du mir nicht vor Jahren einmal erzählt, wie Königin Maria Elisabeth immer wieder davor gewarnt hat, sich öffentlich zu ihrer Mutter und der lutherischen Schlangengrube der Boleyns zu bekennen? Dass sie sie beschworen hat, den alten Glauben wieder anzunehmen, solange ihr noch Zeit bliebe?»
    «Ich muss schlafen», antwortete Dudley. «Das hast du selbst gesagt.»
     
    †
     
    Wieder zurück in meiner Kammer, stand ich am Fenster und blickte auf die mondbeschienene Hauptstraße Glastonburys hinunter. Auf der anderen Seite standen die Bögen der Abtei, eine Gesellschaft trauriger Toter.
    Ich erinnerte mich daran, wie seltsam mir am Tag zuvor die Einwohner der Stadt vorgekommen waren, so als würden sie ein Bühnenstück aufführen. Als wüssten sie, dass die Stadt noch ein unterirdisches Leben führte, das sie

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