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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Lachfalten, und seine Augen wirkten so freundlich … Ich glaubte lange, ich hätte in das Gesicht Gottes geblickt.
    Schon besser. Aber noch wichtiger …
    Der arme Mann dürfte kaum in Frieden ruhen.
    … falls er noch hier war und wirklich nicht in Frieden ruhte, war dies doch keine Totenbeschwörung im eigentlichen Sinne und somit auch kein Verbrechen gegen Gott und das englische Recht.
    Ich gelobe bei allem, was mir heilig ist, dass ich mich darin niemals versucht habe. Derlei ist nicht nach meinem Geschmack. Klingt zu sehr nach Friedhofserde und dem Lesen aus Eingeweiden. Als ob die Toten nur dazu da wären, den Lebenden zu dienen.
    Hatte ich etwa Angst?
    Ich stand auf. Nach meinen jahrelangen Studien hätte ich nicht damit gerechnet, es jetzt mit der Angst zu tun zu bekommen. Selbst zu Lebzeiten meines Vaters hatte man noch geglaubt, ein Geist wäre eine wandelnde Leiche, ein stinkendes, vor Erde starrendes Wesen aus dem Grab.
    Doch jetzt leben wir im ersten Zeitalter des Lichts. Heute messen und untersuchen wir die gewaltigen Kräfte der Natur. Wir treten aus den Schatten der Unwissenheit heraus, und die Geister der Toten sind da nur noch eine schwache Reflexion fahlen Mondlichts.
    Ich klammerte mich an kalten, von Schneckenschleim überzogenen Stein.
    Vielleicht kann ich Euch helfen.
    Hört mich an.
    Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen, Abt, wir sind doch beide Gelehrte, die nur der dünne Schleier der Sterblichkeit trennt.
    Während ich dort auf den zerstörten Überresten des Glaubens kniete, rezitierte ich Worte und Sätze aus Grimoires, die durch meine christlichen Gebete von allem Bösen gereinigt waren. Das hoffte ich zumindest.
    Ich wollte nicht beschwören wie die Zauberer alter Zeiten, nur demütig bitten …
    «… im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, wenn es der Wille des dreifaltigen Gottes ist. Herr, lass mich Deinem Diener Abt Whiting zur ewigen Ruhe verhelfen … indem ich einen Teil seiner Last auf meine Schultern lade. Dafür, oh Herr, erflehe ich eine Antwort auf meine Fragen. Lass ihn also vor mir erscheinen … in einigermaßen ansehnlicher Gestalt.»
    In einigermaßen ansehnlicher Gestalt. Wichtiger Hinweis an den Herrn. In den Grimoires wurde man immer wieder ermahnt, sich genau vorzustellen, in welcher Form der Geist einem erscheinen sollte.
    Sag es mit fester Stimme.
In einigermaßen ansehnlicher Gestalt.
Sag es entschlossen, dann lass den Gedanken los. Wenn man die geistige Vorstellungskraft mit dem menschlichen Willen paart, kann man damit den Lauf der Dinge wirksam beeinflussen. Hält man dabei die Phantasie aber nicht im Zaum, droht man, den Verstand zu verlieren.
    Fühle ich es also wirklich, dass die Luft um mich herum auf einmal kälter wird, oder bilde ich es mir nur ein? Sollte ich als Wissenschaftler ein solches Gefühl unterdrücken oder alles, was geschieht, einfach nur beobachten? Oder diesen Gespinsten gestatten, sich zu einem Nebel zu verdichten, aus dem ein Geist, die wässrig schillernde Essenz eines Menschen heraustreten könnte?
    Das Handwerk eines Zauberers.
    Lieber Himmel!
     
    †
     
    Ihr haltet mich für waghalsig?
    Nun, Ihr wart nicht dort in jener Nacht, in der Abtei.
    Langsam hob ich den Kopf, manifestierte
ihn,
stellte ihn mir mit geschlossenen Augen genau vor, seinen bekümmerten Gesichtsausdruck voller Hilflosigkeit, wie er die Hände müde zum Segen erhob.
    Wer vermag schon eine Vision von beginnendem Wahnsinn zu unterscheiden?
    Ich jedenfalls muss einer Art Wahnsinn sehr nahe gewesen sein, als mir klopfenden Herzens bewusstwurde, dass ich nicht allein war.
    Bewusst? Wie konnte mir das bewusstwerden? Hatte ich etwas gehört, Schritte vielleicht, auf dem vertrockneten Laub, oder den leisen Flügelschlag von Eulenschwingen?
    Nichts dergleichen. Eigentlich geschah gar nichts. Es war viel mehr die Abwesenheit aller Wahrnehmungen, eine Leere, eine Stille, ein
Nichthören
. Und diese Leere wurde ein Vorbote des Schreckens.
    Bei Gott, ich versuche wirklich, es zu erklären. Ohne Diagramme oder Geheimsymbole. Versuche, die entsetzliche Furcht zu beschreiben, die sich meiner bemächtigte, als ich mit einem letzten Gebet verzweifelt Pentagramme vor mir in die Luft zeichnete, dann die Augen öffnete und begann, durch das ins Mondlicht getauchte Mittelschiff hinüber zur Kanzel zu gehen.
    Immer weiter auf das zu, was dort wartete.

XIX Nicht normal
    C owdray war bei mir, als ich zur Abtei zurückkehrte.
    Ich hatte an jede Tür

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