Die Gebeine von Avalon
Wissenschaft nennt.»
«Ich weiß.»
«Nel hat einen gefährlichen Weg eingeschlagen.»
«Ebenso wie ihre Mutter?»
Monger lächelte sein unglückliches, priesterliches Lächeln.
«Cate Borrow hat sich ihr eigenes Grab geschaufelt. Vielleicht weil sie so mitfühlend war, aber geschehen ist es dennoch.»
Es wurde dunkel. Durch die Holzvertäfelung war zu hören, wie Cowdray und seine Bedienung Cider an die Bauern ausschenkten – und vielleicht auch an den einen oder anderen Konstabler. Dieser Raum hingegen war für Übernachtungsgäste reserviert, und so war ich mit Monger allein.
«Erzählt mir von ihr», bat ich.
XXIV Pilzpulver
G ärtnerin war sie gewesen.
Und am glücklichsten bei der Arbeit auf ihrem zwei Acker großen Land, das man dem Meer abgetrotzt hatte. Es lag an der Straße nach Wells. Dort verbrachte sie die länger werdenden Tage mit dem Anbau von Karotten, Zwiebeln, Lauch, Kohl und Bohnen, die sie dann auf dem Markt in Glastonbury feilbot.
Und sie zog auch Heilkräuter. Hinter dem Behandlungsraum ihres Mannes, in der Nähe der Benignus-Kirche, hatte sie ein kleines Zimmer, in dem sie die Kräuter zum Trocknen aufhängte und anschließend zu Pulvern verarbeitete. Sie war eine bescheidene Frau gewesen, die den Verdienst für die Heilung entzündeter Wunden und grollender Gedärme durch ihre Salben und Tränke lieber ihrem Mann zuschreiben ließ.
«Ich habe sie schon vor etlichen Jahre in der Abtei kennengelernt», erzählte Monger. «Damals arbeitete sie in der Küche des Abts. Das war noch, bevor der neue Arzt sich in sie verliebte und sie alles über Kräuter und deren Anbau lernte … und bevor sich zwischen ihr und dem Abt eine Freundschaft entwickelte.
Nach der Auflösung des Klosters setzte sie ihre Arbeit mit den Heilpflanzen fort – wenn auch eher im Verborgenen. Manchmal half ihr dabei eine Frau, die als Köchin in der Abtei gearbeitet hatte. Unter der Regentschaft des Knaben Edward, zur Zeit des Protektorates, herrschte ein toleranterer Geist, und so kam es, dass Cate es wagen konnte, auf Gebieten zu experimentieren, auf die sich gewöhnliche Ärzte selten verirren.
Nicht alle Gebrechen sind körperlicher Natur», erklärte Monger.
Dann erzählte er mir von einem Mann – einem Wollhändler und daher nicht unvermögend –, dessen Frau und Kind bei einem Hausbrand zu Tode gekommen waren. Er hatte darüber seinen Glauben an Gott verloren und war so niedergeschlagen, dass er sich beinahe das Leben genommen hätte.
«Außerdem litt er an fürchterlichen Kopfschmerzen», führte der Hufschmied aus. «Was
nicht
etwa daher rührte, dass er seine Sorgen in Wein ertränkte. Es war jene Art von Agonie, die einen aus dem Nichts überfällt und so mit blitzenden Lichtern peinigt, dass kein abgedunkeltes Zimmer Abhilfe zu verschaffen vermag.»
«Ich habe schon davon gehört.»
Ich vernahm das Klirren von Gläsern aus dem Schankraum und hörte Cowdrays heiseres Gelächter.
«Cate hat ihm ein bestimmtes Pilzpulver verabreicht», fuhr Monger fort. «Es muss mit einer großen Menge Wasser vermischt werden. Das Ergebnis war … erschreckend. Wie ein Wunder Gottes. Eine mächtige mystische Erfahrung.»
Eines strahlenden Morgens hatte Monger den Wollhändler auf dem fischförmigen Hügel östlich der Stadt angetroffen: einen Mann, der gerade mit zum Himmel erhobenen Armen die erhabene Schönheit der Schöpfung pries. Und von Farben sprach, die er nie zuvor gesehen hatte. Im selben Wirtshaus, in dem wir nun saßen, hatte er Monger später anvertraut, dass seine Seele weder durch Gebete noch die Bibel geheilt worden war … wohl aber durch Cate Borrow und ihr Pilzpulver.
«Es hatte nicht nur seine Kopfschmerzen gelindert, sondern ihm auch die Augen für eine strahlendere Welt geöffnet.» Mongers Stimme nahm einen dunklen Ton an. «Mit einer Vision vom Himmel auf Erden.»
Ich hörte gebannt zu, denn diese Wirkung schrieb man auch den Pilzen zu, die Jack Simm einst für mich gesammelt hatte und die ich dann in meinem stillen Kämmerlein trocknete und kochte. Tief in der Nacht hatte ich das Gebräu in der Gesellschaft der Bücher meiner Bibliothek getrunken, umgeben von der Weisheit der Jahrhunderte.
Ohne jegliche Wirkung allerdings, wenn man von einem leichten Kopfschmerz absah. Wie stets in meinem Fall.
«Für einen solchen Trank könnte ein nicht unerheblicher Bedarf bestehen», sagte ich vorsichtig.
«Aber – wie immer – gibt es bedauerlicherweise auch dabei ein Risiko»,
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