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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Pulvers zu verraten, das einem die Tür zum Garten Eden öffnet, wo der Himmel die Farbe von grünen Äpfeln hat und die Wälder so blau sind wie ferne Ozeane. Sie hielt es allerdings für …»
    «Das Feenreich?», vermutete ich.
    «Cate Borrow hat natürlich abgelehnt, da sie Joan für nicht ganz zurechnungsfähig hielt und fürchtete, dass sie möglicherweise schlimmen Schaden nehmen könnte. Joan jedoch ließ sie nicht in Frieden. Sie wollte noch ein letztes Mal auf den Hügel und dort vor der Ruine der Michaeliskirche das Pulver der Visionen nehmen.»
    «Mutige Frau.»
    «Mondsüchtig», entgegnete Monger. «Dann hörte Joan auf zu essen. Hat wochenlang gehungert. Wenn Ihr sie heute schon für dünn haltet … meine Güte. Die Sachen hingen ihr vom knochigen Körper, das Haar fiel ihr aus. Sie war bereit zu sterben. Am Ende … gab Cate nach. Aber nur unter der Bedingung, dass Matthew und sie Joan zum Tor begleiten und bei ihr bleiben würden, während sie den Trank einnahm. Matthew hat sich bis zum Schluss dagegen gesträubt. Die Vorstellung einer Joan Tyrre, die in hilfloser Ekstase den Mond anheult und das auf dem auffälligsten aller Plätze in ganz Somerset, bereitete ihm mehr als nur Unbehagen. Man einigte sich schließlich darauf, dass es am Abend vor Allerheiligen geschehen sollte.»
    Ich zuckte zusammen.
    «Ganz recht», sagte Monger. «Matthew hingegen … Ihr müsst wissen, dass er nur in die Kirche geht, um eine Bestrafung zu vermeiden. Und er ist nicht gerade traurig, wenn er mitten im Gottesdienst ans Krankenbett gerufen wird. Der Horizont seiner Wissenschaft ist enger als der der Euren.»
    «Wollt Ihr damit sagen, dass er nicht an Gott oder das Spirituelle glaubt?»
    «Nicht dass ich wüsste, jedenfalls. Kein Glauben, keine Gottesfurcht. Das Einzige, wovor er Angst hat, sind die Menschen – ganz im Gegensatz zu vielen anderen hier, wie Ihr Euch sicher vorstellen könnt. In der Nacht vor Allerheiligen brennen in der Stadt alle Lampen, die Türen werden verriegelt, und man hält sich auf jeden Fall vom Tor fern.»
    «Dem Teufelshügel.»
    «Diese Nacht war also die einzige, in der sie sicher sein konnten, dort oben allein zu sein. Und wenn doch jemand auf dem Gipfel wäre, war er bestimmt so wahnsinnig, dass er Joan Tyrre keine übermäßige Beachtung schenken würde.» Monger versuchte zu lächeln.
    «Außerdem hätte es ja sein können, dass auch Joan in dieser Nacht zu viel Angst haben und von sich aus ablehnen würde …»
    «Ganz genau», bestätigte Monger. «Matthew sagte, wenn sie einen Rückzieher gemacht hätte, wäre die Sache wenigstens damit erledigt gewesen.»
    Ich wartete, dass Monger erzählte, was dann tatsächlich geschehen war, aber er wurde auf einmal zurückhaltender und teilte mir nur knapp mit, dass Joan keinen Rückzieher gemacht hätte und die drei daraufhin in der Nacht vor Allerheiligen zum Tor aufgebrochen waren.
    Da ich selbst die seltsame Stimmung auf dem Tor erlebt hatte, wusste ich, dass Joan Tyrre entweder sehr mutig, sehr verrückt oder sehr sicher sein musste, dass es neben der unseren noch eine andere Existenzsphäre gab. Und dass sie dort bloß Gutes zu erwarten hatte.
    «Ich kann dazu jedenfalls nur sagen», begann Monger erneut, «dass Joan behauptet, seit dem darauffolgenden Morgen habe sie zumindest auf ihrem guten Auge langsam wieder besser sehen können.» Er zuckte mit den Schultern. «Aber da müssen wir uns allein auf ihre Aussage verlassen.»
    «Ihr habt mit den Borrows nicht darüber gesprochen?»
    «Die Borrows haben damals mit niemanden darüber gesprochen. Das kam erst später. Natürlich war Matthew überzeugt, dass sich alles, was Joan in jener Nacht gesehen zu haben glaubte, nur in ihrem Kopf abgespielt hatte. Das Schlimmste aber, versteht Ihr, John … das Allerschlimmste daran ist nicht das, was sie gesehen haben, sondern dass
sie
gesehen wurden. Alle drei. Wie sie den Hügel hinaufstiegen in der Nacht, in der die Toten auf Erden wandeln.»
    «Wer sah sie?»
    «Dick Moulder, einer der Großbauern hier. War auf der Suche nach einem verirrten Schaf. Er sagte aus, er habe gesehen, wie sie mit brennenden Kerzen in der Dämmerung den Hügel bestiegen hätten, und dann später, wie sie neben der Ruine tanzten und den Mond ansangen. Das behauptete er jedenfalls.»
    «Ihr glaubt nicht, dass er sie überhaupt dort gesehen hat?», fragte ich.
    «
Irgendjemand
hat sie dort gesehen oder davon gehört. Ich glaube aber nicht, dass Moulder sich als

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