Die Gebeine von Avalon
vorgebracht hatte.
Und trotzdem war es knapp ausgegangen, denn ohne Bonners Wissbegier wäre ich wahrscheinlich doch dem Feuer überantwortet worden.
«Ich nehme an, Fyche konnte sie nicht bei der vierteljährlichen Gerichtssitzung anklagen», erkundigte ich mich. «Oder wird das hierzulande anders gehandhabt?»
«Oh, hier wird
alles
ganz anders gehandhabt. Aber das Gesetz ist das Gesetz. Und eine Anklage, die die Todesstrafe fordert, darf nur von einem Bezirksrichter vor einem Assisengericht verhandelt werden.»
«In Wells?»
«Die Verhandlung war schnell vorbei», erwiderte Monger. «Es tauchte noch ein zusätzlicher Zeuge auf, den davor oder danach nie jemand zu Gesicht bekommen hat. Er behauptete, Mistress Borrow dabei beobachtet zu haben, wie sie sich feuchte Erde von frischen Gräbern besorgt hatte, um diese dann in ihrem Kräutergarten zu verstreuen. Das alles trug sich in den dunkelsten Jahren unter Königin Maria zu. Die Menschen waren Sklaven der Angst und des Aberglaubens. Und am Ende dann, als Dick Moulder bezeugen sollte, dass er in der Nacht vor Allerheiligen zwei oder drei Leute mit Kerzen den Tor hinaufgehen sah, unter ihnen Mistress Borrow …»
Seine Stimme brach. Er verzog das Gesicht, als er sich daran erinnerte, wie Cate Borrow vor Gericht aufgesprungen war und geschrien hatte, dass Moulder sich irren müsse, weil sie in jener Nacht allein auf dem Tor gewesen sei.
Sie hatte dadurch wohl ihren Mann schützen wollen. Aber auch Joan Tyrre, die schließlich schon einmal vor dem Kirchengericht angeklagt worden war.
In der folgenden Stille im Saal sprang Dick Moulder auf, zeigte fuchtelnd auf Cate Borrow und schrie:
Wenn sie allein war, dann müssen die anderen Geister gewesen sein!
«Und wenn ich Euch sage, dass in diesem Moment eine Bö die Tür zum Gerichtssaal aufstieß und wieder zuschlug», fuhr Monger fort, «ein eisiger Wind durch den Raum wehte und eine Frau zu schreien begann … Das hätte gereicht, um selbst den Papst zu überführen.»
«Was ist mit dem Tod des Jungen?», wollte ich wissen. «Sicher hat sie doch dafür keine Schuld auf sich genommen.»
«Sie hat es weder gestanden noch abgestritten. Danach sagte sie einfach überhaupt nichts mehr und hat sich geweigert, weitere Fragen zu beantworten. Sie stand nur noch da. Blass. Blass wie ein Geist, so als gehörte sie schon gar nicht mehr zu dieser Welt. Matthew versuchte verzweifelt, sie dazu zu bringen, ihn anzusehen, aber sie beachtete ihn nicht. Sie schaute ihn nicht an. Sie hat ihn nie wieder angesehen. Das war der schlimmste Moment.»
«Weil sie nicht wollte, dass auch er darin verwickelt wird?»
«Als wollte sie sagen, es ist vorbei, es gibt nichts, was man noch tun kann. Geh zurück an deine Arbeit. Vergiss mich.»
«Und Eleanor? War sie …?»
«Sie war nicht dort. Sie hatte dafür zu sorgen, dass Joan Tyrre nicht im Gerichtssaal auftauchte und ihrer Mutter noch mehr schadete.»
Am nächsten Tag war Matthew Borrow in Begleitung einiger Mitglieder des örtlichen Ältestenrates nach Meadwell aufgebrochen, um Fyche um Gnade für seine Frau zu ersuchen. Von dort kehrte er guten Mutes zurück, denn Fyche – immerhin ein ehemaliger Mönch, Herrgott – hatte ihm versprochen, er würde tun, was in seiner Macht stünde. Borrow beruhigte seine zutiefst aufgewühlte Tochter, versicherte ihr, dass sie die Anklage entkräften oder ein Gnadengesuch bei Königin Maria einreichen würden …
Am folgenden Morgen wurde Cate Borrow bei Sonnenaufgang ohne großes Aufsehen in Wells gehängt. Fyche verkündete freundlich, dass er der Familie der Hexe wenigstens den Anblick eines Scheiterhaufens erspart hätte. Und erlaubte den Borrows großzügig, dass sie Cates Leichnam abholen durften, solange sie ihn nicht auf geweihtem Boden bestatteten.
Das alles war nun kaum länger als ein Jahr her. Kein Wunder, dass Eleanor die Gegenwart dieses Mannes nicht ertragen konnte.
«Niemand hier in der Stadt konnte es richtig fassen», sagte Monger. «Eine Frau mit so viel Mitgefühl, die einzig für ihren Garten lebte. Die noch viele Heilmittel hätte entdecken können und vielen Kranken helfen.»
«Aber … Herrgott, warum hat er das getan? Warum wollte Fyche diese Frau unbedingt töten?»
«Ich vermute … wegen des Pulvers der Visionen. Man munkelt, dass sein Sohn es einmal genommen hat. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, aber es muss Fyche wohl große Angst gemacht haben. Er hielt es für gefährlich … unkontrollierbar.
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