Die Gebeine von Zora
…«
Reith erhob die Stimme, um sich Gehör zu verschaffen, und erklärte dann den Krishnanern, dass Marot lediglich das unschuldige Opfer eines allzu temperamentvollen Ayas war. Fast im selben Moment erschien ein weiterer Reiter, der den Ausreißer am Zügel führte.
»Ich habe ihn hinter dem Hügel dort eingefangen«, verkündete er. Aus der Menge erhob sich beifälliges Murmeln.
»Diese Terraner scheinen ehrliche Leute zu sein«, sagte der Stallmeister. »Lasst uns zum Markt zurückkehren.«
»Hast du dir wehgetan, Aristide?« fragte Reith.
»Ein paar Prellungen und Hautabschürfungen, das ist alles. Als mir klar wurde, dass ich dieses verdammte Vieh nicht bändigen konnte, habe ich nach einem möglichst weichen Landeplatz Ausschau gehalten und mich fallen lassen.«
»Warum konntest du ihn nicht zum Halten bringen? Hast du die Zügel verloren?«
»Nein. Ich hätte ihn zum Stehen bringen können, da bin ich ganz sicher. Aber als er plötzlich das Hufgetrappel hinter sich hörte, da packte ihn die Panik, und er rannte noch schneller, obwohl ich wie verrückt am Zügel zog. Wie kommen wir jetzt nach Mishe zurück? Ich verspürte kein großes Verlangen, mich noch einmal auf diesen Satan von einem Aya zu setzen.«
»Das Tier sieht gut aus, aber es muss ziemlich verstört sein. Du reitest mit auf meinem.«
Reith bat ein paar der Schaulustigen, mit anzufassen, und zwei stämmige Bauernburschen packten Marot und hoben ihn in den Sattel hinter Reith. Als sie am Markt ankamen, fragte Reith den Stallmeister:
»Wie viel verlangt Ihr für den Klepper, auf dem wir zurückgeritten sind? Der scheint ganz das Richtige für uns zu sein.«
»Zweihundertundfünfzig, Herr.«
»Macht keine Witze! Ich gebe Euch fünfundsiebzig …«
Eine Stunde später hatten sie sich auf hundertdreißig geeinigt.
Ausstaffiert mit ihren neuerworbenen krishnanischen Kilts, begaben sich die zwei auf die fünf Tage dauernde Reise nach Jeshang. Die erste Etappe des Rittes verlief ereignislos, abgesehen von einem stürmischen Gewitter, in das sie gerieten. Sie ritten durch das sanft gewellte Farmland des südlichen Mikardand, über die gut instand gehaltene Landstraße. Es herrschte reger Verkehr. Als sie im ersten Gasthof Rast machten, fragte Marot:
»Was liegt jetzt noch vor uns?«
»In drei Tagen müssten wir Chilihagh erreichen, das von Dasht Kharob bad-Kavir regiert wird. Er ist quasi unabhängig sowohl von Mikardand als auch von Balhib, und er erhält diesen Status geschickt aufrecht, indem er den einen gegen den anderen ausspielt. Beide erheben einen vagen Anspruch auf das Dashtat. Aber Mikardand war aufgrund interner Querelen stets zu beschäftigt, um seinen Anspruch durchzusetzen, und König Kir von Balhib hat einen Sprung in der Schüssel; von daher nimmt ihn keiner ernst.«
An der Grenze sprangen die Chilihagho-Soldaten in ihren blauen Röcken und ihren Kettenhemden in Habachtstellung, als die beiden Reiter nahten. Einer nahm ihre Papiere entgegen. Er schaute sie sich an und sagte: »Ich verstehe das nicht.«
»Es wäre vielleicht ganz hilfreich, wenn Ihr sie richtig herum hieltet«, sagte Reith freundlich.
Der Soldat bedachte ihn mit einem wütenden Blick. »Wartet hier!« Er verschwand in einer Hütte und erschien wenig später wieder in Begleitung eines Offiziers in silbernem Brustharnisch. Die beiden diskutierten mit ernster Stimme miteinander, in einem Dialekt, dem Reith nur mit Mühe zu folgen vermochte. Der Offizier musterte die Terraner eingehend und sagte:
»In der Tat. Das müssen die beiden sein, vor denen wir gewarnt worden sind. Ergreift sie!«
Bevor Reith oder Marot etwas erwidern konnten, wurden sie von den Soldaten gepackt und entwaffnet.
»Was soll das?« rief Reith wütend. »Wir sind harmlose Touristen …«
»Balhibische Spione, das seid ihr!« blaffte der Offizier. »Denkt ihr, wir lassen uns durch amputierte Riechantennen und gefärbte Haut und Haare täuschen? Für wie dumm haltet ihr uns?«
»Wir sind genauso echte Terraner, wie ihr Krishnaner seid«, erwiderte Reith. »Hätten wir uns die Riechantennen amputiert, dann müssten die Narben zu sehen sein! Es sind aber keine zu sehen. Wir sind in Novorecife wohlbekannt. Wir sprechen terranische Sprachen – Portugiesisch, Französisch …«
»Alles das kann ebenso gut Tarnung sein«, versetzte der Offizier ungerührt. »Wir machen mit Spionen, die der verrückte König Kir uns schickt, um unser heiliges Vaterland umzustürzen, kurzen Prozess. Was
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