Die Gebeine von Zora
ist hier seit nunmehr zwanzig Jahren der Wahre Glaube, ’s ist der Kult des Bákh, des einzigen Gottes, wie verkündet im Buche Bákh, welches unserer Hohenpriesterin von einem Engel persönlich übergeben ward.«
»Aber was ist nach dieser Lehre mit den anderen Varasto-Gottheiten, Herr?«
»Im Tempel wird darüber disputiert, ob sie Engel sind oder Dämonen oder gar bloße Figmente. Manche vertreten die Ansicht, sie seien von listigen Priestern ersonnen worden in der Absicht, schlichte Gemüter zu täuschen; andere halten sie für in der Erinnerung glorifizierte Helden aus uralten Zeiten. Bákh hat unserer Hohenpriesterin weitere Enthüllungen versprochen – so sagt sie -› diese Einzelheiten zu klären. Um seine authentische Lehre zu empfangen, hat sie sich auf ihren Sommersitz in den Hügeln zurückgezogen.
Ich strebe danach, der Gerechtigkeit zu dienen und die freundschaftlichen Bande mit Novorecife aufrechtzuerhalten. Derhalben dauert es mich sehr, dass ich Euch Euren Wunsch abschlagen muss. Aber ich habe mein Wort und mein Siegel gegeben.«
»Wie könnte Foltz’ Arbeit irgendeinen abträglichen Einfluss auf Eure Religion haben, Herr?«
Der Dasht erklärte: »Unsere Hohepriesterin, die heilige Lazdai, hätte Meister Foltus gern auf das strikteste examiniert, um sicherzustellen, dass nichts von dem, was er fände, einen wie auch immer gearteten Zweifel auf die Art und Weise werfe, in welchselbiger Bákh die Welt erschuf; doch war sie bereits fort, als er hier eintraf. Und bevor ich Euch die Genehmigung erteilen würde, unterzöge sie Euch derselben Examination, so sie anwesend wäre.
Doch lasset den Kopf nicht hängen, meine Herren! Auch Jeshang hat, wiewohl es kleiner ist denn Mishe, seine Sehenswürdigkeiten und seine Vergnügungen. So verweilet denn ein paar Tage hier, bevor ihr wieder nach Norden zurückkehrt. Doch verbreitet mir keine ketzerischen Anschauungen! Ihre Heiligkeit ist sehr energisch, was die Ausmerzung häretischen Gedankengutes betrifft.«
»Unter Sehenswürdigkeiten und Vergnügungen stelle ich mir was anderes vor«, brummte Reith. »Wenn ich mich so umgucke, scheint mir Jeshang das lausigste Provinzkaff zu sein, das ich bisher auf Krishna gesehen habe. Also, was tun wir jetzt?«
»Ich denke nach, mein Freund«, antwortete Marot. »Hat er nicht gesagt, er hätte Foltz die Exklusivgenehmigung für Ausgrabungen in den zorianischen Schichten gegeben?«
»Das hat er. Aber erklär mir mal bitte, was die zorianischen Schichten sind.«
»Kennst du die Arbeiten des Geologen Yamanuchi?«
»Ich habe von ihm gehört, aber das war lange, bevor ich nach Krishna kam – das ist mindestens fünfzig Jahre her.«
»Diese Zeitverschiebung ist unvermeidlich, aufgrund der Jahre, die er brauchte, um hierherzukommen, seine Arbeit zu machen, nach Terra zurückzukehren und seine Forschungsergebnisse zu publizieren. Alors, Yamanuchi machte eine vorläufige Untersuchung der geologischen Formationen des Gebietes westlich der Sabadao-See. Er entwarf eine grobe Chronologie dieser Formationen und benannte eine Reihe von Perioden nach den Orten, an denen er diese Schichten freiliegend fand. Eine Periode nannte er die zorianische, und zwar nach einer Viehfarm in der Wasserscheide des Oberlaufes des Zora-Flusses, der hier in Jeshang in den Zigros mündet.«
»Hat Yamanuchi irgendwelche Fossilien mitgebracht?«
»Nein, aber in seinem Bericht steht, dass er in der Zora-Region Fossilien an der Erdoberfläche liegen fand. Er reiste allein, schnell und ohne schweres Gepäck. Er war als Krishnaner zurechtgemacht, wie alle Terraner, die zu jener Zeit auf Krishna arbeiteten. Als Japaner fiel es ihm leichter, den Eingeborenen zu mimen, als uns langnasigen Europäern oder Amerikanern. Ich nehme an, dass Foltz Yamanuchis Bericht auch gelesen hat.«
»Paläontologie ist nicht mein Gebiet«, sagte Reith. »Aber es kommt mir so vor, als ob ihr Burschen oft unterschiedlicher Meinung darüber wärt, wie man nun die geologische Vergangenheit einteilen sollte.«
»Aber ja! Vor Jahrhunderten schon unterteilten die Amerikaner das alte Karbon in die pennsylvaniasche und die mississippianische Epoche, aber einige europäische Geologen halten trotzdem noch an der alten Nomenklatur fest.«
»Nun, wenn das so ist, warum sollten wir dann bei den krishnanischen Epochen nicht auch unsere eigene Einteilung vornehmen?«
»Mein Freund, du bist ein Genie!« Marot vollführte einen kleinen Tanzschritt. »Gehen wir zurück in diesen
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