Die Gebeine von Zora
Dann fragte sie gähnend:
»Kann man sich hier irgendwo waschen?«
»Da vorn am Flussufer ist ein Gebüsch, ungefähr fünfzig Meter flussabwärts.«
»Weißt du, was ich brauchen könnte, Fergus? Ein schönes Bad. Ich habe seit zehn Tagen nicht mehr richtig gebadet, und du duftest auch nicht gerade nach Rosen.«
»Kein Wunder, so wie ich auf Trab gehalten worden bin. Weißt du was? Ich komme in zehn Minuten zu dir runter zum Fluss – mit einem echten Stück Seife.«
Eine Viertelstunde später standen sie hüfttief auf dem sandigen Bett des Zora und spritzten und planschten wie ausgelassene Kinder im Wasser. Als sie sich gegenseitig einseiften und abschrubbten, fanden sie sich plötzlich wieder einander in den Armen liegend, und gleich begannen sie wieder zu schmusen und zu streicheln. Alicia löste sich kichernd aus seinen Armen und rief:
»Meine Güte, und das in dem kalten Wasser! Du bist ja ein richtiger Lüstling!«
»Ist ja auch schon verdammt lang her«, sagte Reith grinsend. »Geh’n wir hoch?«
»Ich bin nur ein armes, schwaches, hilfloses Weib, das dir auf Gnade und Ungnade ausgeliefert ist.«
»Ungefähr so hilflos wie Dschingis Khan«, sagte er, während sie Hand in Hand ans Ufer wateten. Sie trockneten sich gegenseitig ab und gingen zurück zum Zelt. Vor dem Eingang blieb Reith stehen.
»Einen Augenblick! Ich habe ganz vergessen, dich danach zu fragen: Können wir eigentlich unbesorgt …? Ich meine, du hast doch bestimmt deine Pillen nicht mitgenommen …«
»Ich habe die letzte vor drei Tagen genommen; also könnte ich innerhalb der nächsten dreißig Tage ohnehin nicht schwanger werden. Komm schon, lass uns reingehen!«
Später seufzte Alicia: »Fergus, du bist wunderbar! Wie konnte ich nur so eine Idiotin sein?«
»Jeder von uns macht manchmal Dinge, die er später bereut. Wo wir gerade von Pillen sprachen – wenn ich daran denke, wie resolut du warst, von wegen bloß keine Kinder, das lässt sich mit meiner Karriere nicht vereinbaren; dann wundert mich eigentlich, wieso du dich nie hast sterilisieren lassen, wie so viele Karrierefrauen.«
»Ich hatte das tatsächlich mal vor, aber Lucy McKay hat es mir ausgeredet.«
»Ist das die, bei der du Anthropologie gelernt hast?«
»Ja, die berühmte Xenanthropologin. Sie hatte sich selber als junge Frau sterilisieren lassen, aus den üblichen Gründen …«
»Der übliche Grund«, unterbrach Reith sie mit unüberhörbarem Zorn in der Stimme, »ist der, dass man danach ungestraft in der Gegend herumvögeln kann!«
»Wenn du glaubst, ich hätte mir deswegen die Eileiter durchknipsen lassen wollen, dann liegst du falsch, auch wenn das vielleicht Lucys Beweggrund war. Aber manchmal gerät eine Frau in eine Situation, wo sie keine andere Wahl hat; und wenn sie Pech hat, wird sie schwanger.«
»Sie kann jederzeit nein sagen, außer, jemand wendet tatsächlich Gewalt an …«
»Das meinst du, aber ich weiß es besser! Ich habe das schon dreimal durchgemacht, angefangen mit meinem Doktorat. Der alte Schleimscheißer setzte mir knallhart die Pistole auf die Brust: Entweder ich ging mit ihm ins Bett, oder er würde mich durch die Mündliche rasseln lassen. Und dann die Sache mit …«
Reith hob die Hand. »Ich weiß, ich weiß. Tu mir den Gefallen, Lish, und fang nicht schon wieder an zu beichten. Aber …«
»Jedenfalls, ein Jahr, nachdem Lucy sich hatte sterilisieren lassen, verliebte sie sich unsterblich in einen Mann, der eine Familie wollte und kein Mädchen heiraten wollte, das ihm keine Kinder schenken konnte. Sie ist nie so ganz darüber hinweggekommen. Als ich sie kennen lernte, hatte sie acht Ehen hinter sich und mindestens hundert Liebhaber gehabt, aber richtig glücklich war sie damit nie gewesen. Also habe ich mir diese Option offen gelassen, für den Fall, dass ich meine Meinung vielleicht irgendwann einmal ändern würde. Fergus, mein Schatz, hast du vielleicht eine saubere Zahnbürste übrig, die du mir leihen könntest?«
Als der einzige Gourmet in Reiths Gruppe hatte Marot das Kochen übernommen. Während er ein Feuer entfachte und sich bemühte, aus den vorhandenen Nahrungsmitteln krishnanischer Provenienz ein halbwegs schmackhaftes Frühstück zu zaubern, rasierte sich Reith mit einem Handspiegel. Als der Paläontologe zum Essen rief, fielen Reith und Alicia hungrig über ihre Portion her. Während sie aßen, erklärte Marot:
»Ich muss den Block mit unserem Fossil noch behauen, bis er so leicht ist, dass wir ihn auf
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