Die Gebeine von Zora
glaubst du vielleicht, ich hätte nicht mit der guten alten Eifersucht zu kämpfen? Andererseits bist du eine freie, allein stehende, unabhängige Frau, die – um deine eigenen Worte zu benutzen – tun und lassen kann, was sie will.«
Völlig unerwartet fing Alicia plötzlich an zu weinen und vergrub das Gesicht in seiner Brust. Alicia war fürwahr keine Frau, die beim geringsten Anlass sofort losheulte. »Okay, halt mir ruhig meine Vergangenheit vor!« schluchzte sie.
»Aber das habe ich doch gar nicht!«
»O doch, das hast du! - Ich weiß, was du denkst: Wie die Zeiten sich doch ändern! Das ist die Frau, die ich mal in meiner jugendlichen Blödheit geheiratet habe, nachdem sie es mit jedem Hinz und Kunz getrieben hat. Und jetzt baumelt der Haken vor meiner Nase, mit ihr als Köder dran …«
»So ein Blödsinn! Ich habe dir doch gesagt …«
»Im Moment bist du jedenfalls mein einziger Wie-auch-immer-man-das-nennt. Wie nennt man einen Ex-Ehemann, mit dem man eine Liebesaffäre hat?«
»Lass mich mal überlegen. Ach ja! Bevor ich Terra verließ, war dafür gerade der Begriff ›Amorex‹ im Schwange, als Bezeichnung für jemanden, der der oder die Geliebte seines Ex-Ehepartners ist. Okay! Du bist also meine Amorexy Darling. Gib mir einen Kuss und trockne deine Tränen ab. Komm schon, ist ja alles gut!«
»Ich habe niemals wahllos mit Männern geschlafen, und ich war dir, solange wie wir verheiratet waren, auch nie untreu. Was den alten Professor und König Ainkhist und Warren Foltz betrifft, so waren das Fälle, in dienen meine Notlage ausgenutzt wurde, wo ich einfach musste; du könntest es gewissermaßen konstruktive Vergewaltigung‹ nennen …«
»Ich weiß, Liebes. Du hast mir das alles schon erzählt, mehr als einmal. Du leidest unter einer Art Bekennungszwang. Jetzt lass uns nicht schon wieder deine Liebesabenteuer durchkauen, die ohnehin keine großen Offenbarungen waren. Verglichen mit den meisten Leuten heutzutage, waren wir beide ziemlich genügsam in der Hinsicht. Lass uns statt dessen lieber froh darüber sein, dass Sarf nicht auf die Idee gekommen ist, um bloß kein Risiko einzugehen, uns in unseren Säcken über Bord zu werfen.«
»Was für ein grauenhafter Gedanke!«
»Das kann man wohl sagen. Die Idee kam mir nämlich plötzlich, als ich in dem Sack steckte und mir bewusst wurde, dass ich ja allein da gar nicht mehr rauskommen würde. Ich bin jedenfalls ganz schön ins Schwitzen geraten.«
»Ich glaube, dazu hat er zuviel Hochachtung vor seinem Vetter Sainian.« Sie löste sich von ihm und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen. »Wie ich das hasse, ein albernes, sentimentales, feminines Weibchen zu sein! Ich gehe jetzt mal besser Aristide retten. Diese Eierlegerin quasselt ihm die Ohren voll, und er ist zu höflich, um ihr zu sagen, sie soll in den Zigros springen.«
VII.
Der Landgang
Den ganzen nächsten Tag lang hörte sich Alicia Qa’dis Leidensgeschichte an und machte sich endlose stenographische Notizen. Froh darüber, von dieser nerv tötenden Aufgabe entbunden zu sein, standen Reith und Marot mit den Ellbogen auf die Reling gestützt und betrachteten das vorübergleitende Ufer. Marot sagte:
»Deine Alicia ist eine wundervolle Frau. Es ist wirklich zu schade, dass ihr zwei da nichts Richtiges draus macht.«
»Ja, das ist wirklich schade. Wir sind eins von diesen unglückseligen Paaren, die nicht glücklich zusammen, aber auch nicht glücklich getrennt leben können.« Reith starrte verdrießlich auf das Wasser. »Ich glaube, jeder von uns beiden hätte sich mehr anstrengen müssen, es dem anderen recht zu machen. Ich bin oft barsch, taktlos und diktatorisch; während sie wiederum ein Temperament hat, im Vergleich zu dem die Oberfläche von Roqir einem fast wie eine Eisbahn erscheint.«
»Sie scheint noch immer eine warme Zuneigung für dich zu empfinden, und ich glaube zu spüren, dass du ähnliche Gefühle hegst. Wäre es nicht möglich, dass ihr zwei es noch einmal miteinander versucht?«
»Darüber habe ich natürlich auch schon nachgedacht, und ich bin sicher, sie auch. Ich nehme an, dass sie nun, da sie die Konkurrenz ausprobiert hat, zu der Überzeugung gekommen ist, dass ich doch nicht ganz der Idiot bin, für den sie mich hielt, als sie von mir abgehauen ist.« Reith seufzte.
»Das Ganze müsste von beiden Seiten gut überlegt sein. Ich habe nicht die geringste Lust, aufs neue die alten Kämpfe auszutragen, und ein Bad in flüssiger
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