Die Gebeine von Zora
Gemahl; und wenn ein Jahr um war, schlugen sie ihm den Kopf ab, schnitten ihn in mundgerechte Portionen und servierten ihn bei einem feierlichen Festschmaus. Danach wählte sich die Königin einen neuen Gemahl.«
»Gab es auch Freiwillige?«
Reith grinste. »O nein! Die Opfer wurden abkommandiert.«
»Ich könnte mir vorstellen«, sagte Marot, »dass die Erwartung eines solch frühzeitigen und wenig erbaulichen Endes der Potenz der Ärmsten nicht gerade förderlich war.«
Reith zuckte die Achseln. »Jedenfalls versicherten sie dem Volk, dass jedes von der Königin gelegte Ei legitimer Herkunft war. Bei Alvandis Tochter stellte sich das Ganze allerdings als Schwindel heraus. Sie war eine Terranerin, die die Königin als Kleinkind erworben und als ihr eigenes ausgegeben hatte. Das Mädchen wurde als Krishnanerin herausgeputzt, mit falschen Antennen und allem sonstigen Drum und Dran, und nach Landessitte erzogen.«
»Was wurde aus dem Matriarchat?« fragte Marot.
»Es wurde von einer Revolution hinweggefegt. Der Anführer dieser Revolution war übrigens ein Terraner namens Barnevelt, dessen Lösung ›Gleiches Recht für die Männer!‹ lautete. Sie nahmen eine republikanische Verfassung nach terranischem Muster an, mit einem Ex-Sattler und Ex-Piraten als Präsident.«
Marot deutete auf das Häusermeer von Jazmurian. »Ist das die Hauptstadt?«
»Nein. Das ist Ghulinde, das draußen auf der Halbinsel liegt. Jazmurian ist der wichtigste Seehafen der Republik. Es wird von den anderen Qiribuma verachtet als polyglotter, dekadenter Sündenpfuhl und Heimat von Verbrechen und Korruption. ›Nicht das wahre Qirib‹, sagen sie.«
»Ich war schon mal in Ghulinde«, warf Alicia ein. »Den ersten Präsidenten, Gizil, den Sattler, habe ich leider nicht mehr kennen gelernt, dafür aber seinen Nachfolger, Vizman er-Qorf. Vielleicht könnten wir doch dort mal vorbeischauen; er würde uns bestimmt gastfreundlich aufnehmen und bewirten.«
»Zu großer Umweg«, sagte Reith. »Wir nehmen den ersten Zug nach Norden, für den wir das Fahrgeld zusammengekratzt kriegen.«
Marot fragte: »Hat die Einführung der Republik denn zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung geführt?«
»Schwer zu sagen«, sagte Reith. »Nach dem, was ich gehört habe, sagen einige Qiribuma, vor allem die Männer, dass sie jetzt besser dran sind. Andere jedoch sehnen sich nach den Zeiten des alten Yeki-Weibchens Königin Alvandi zurück.«
»Kein Regierungssystem erfüllt wohl je die Erwartungen aller«, murmelte Marot. »Zumindest ist das auf der Erde immer so gewesen.«
Die Morkerád steuerte jetzt auf eine schmale Durchfahrt in einer der Molen zu. Reith wusste aus Erfahrung, dass es für einen Schiffsführer nichts Lästigeres gab, als mit Fragen gelöchert zu werden, während er alle Hände voll damit zu tun hatte, sein Schiff an seine Anlegestelle zu manövrieren. Erst als das Boot angelegt hatte und alle Leinen belegt waren, ging Reith zu Sarf und fragte:
»Herr Kapitän, wann können wir mit dem Agenten Eures Vetters zusammentreffen, um unsere Verbindlichkeiten zu begleichen?«
Sarf grinste. »Heute gewiss nicht mehr! Das Abladen wird den Rest des Tageslichts in Anspruch nehmen, und danach muss ich rasch zu meinem Weibe.«
»Eurem anderen …«
»Pscht! Nicht ein Wort, wenn Ihr mir Euren Dank dafür zeigen wollt, dass ich Euch versteckt habe! Wo werdet ihr für die Nacht absteigen?«
»Angur kennt mich, und ich bin sicher, dass er uns beherbergt, auch wenn wir keinen Arzu bei uns haben.«
Die Mannschaft schob den Landungssteg hinunter. Die Ankunft des Schiffes hatte das übliche Hafenvolk angelockt: Schauerleute, Träger, Sänftenträger, Kundenwerber, Zuhälter und Hausierer.
Vier Krishnaner, die sich durch ihre äußere Erscheinung von den anderen abhoben, bahnten sich einen Weg durch die Menge und stapften den Landungssteg hinauf an Bord. Einer trug gepflegte Zivilkleidung; die anderen drei trugen Uniformen, bestehend aus einem messingnen Brustpanzer und einem haubenförmigen Helm aus dem gleichen Material, die in der Nachmittagssonne funkelten. Unter dem Panzer trugen sie scharlachfarbene Röcke und plissierte Kilts, und jeder der Soldaten trug ein Wehrgehenk mit einem Schwert. Zwei der Soldaten waren männlichen Geschlechts, der dritte aber, offenbar ein Offiziersrang, war eine Frau, deren Brustpanzer ihren weiblichen Rundungen angepasst war. Reith erklärte seinen Gefährten:
»Früher waren hier
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