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Die Gebeine von Zora

Die Gebeine von Zora

Titel: Die Gebeine von Zora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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Reling, sog mit den Augen das grandiose Schauspiel des sich auf dem Wasser spiegelnden Mondlichts auf und grübelte über die Fehler nach, die er im Lauf seines Lebens gemacht hatte. Danach zog er sich ins Deckhaus auf seine Strohmatratze zurück. Die anderen Passagiere und die Besatzung hatten sich bereits schlafen gelegt; so oblag es ihm als dem letzten, die Kerze auszublasen. Zuvor jedoch ließ er seinen Blick noch einmal über die schlafenden Gestalten gleiten, um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war. Zu seiner Bestürzung konnte er Alicias Blondschopf nirgends unter den Schlafenden ausmachen.
    Aufgeschreckt und ein wenig beunruhigt, blies Reith die Kerze aus, ging hinaus und machte einen Rundgang auf Deck. Er spähte in die engen Durchgänge zwischen den Seiten des Deckhauses und der Reling, und als er sie dort nicht fand, ging er weiter zu dem breiteren Deck zwischen der Rückwand des Deckhauses und dem Verschlag, in dem die Shaihane untergebracht waren. Als er sich dem Deck näherte, hörte er, dass Alicia sich mit dem wachhabenden Matrosen unterhielt. Er schnappte das Ende einer Frage auf, die sie ihm gerade stellte: »… wer hat bei euch in Familienangelegenheiten mehr zu bestimmen: der Bruder eures Vaters oder der Bruder eurer Mutter?«
    Die beiden saßen auf dem Deck, den Rücken gegen die Vorderfront des Deckhauses gelehnt. Die Buglaterne tauchte das Deck in ein warmes gelbes Licht, und gegen den dunklen Hintergrund des Deckhauses sah Reith die rote Glut der Zigarre des Matrosen in regelmäßigen Abständen aufleuchten.
    »Seemann Gamrok«, sagte Reith, »ich habe mich bei Euch noch gar nicht richtig dafür bedankt, dass Ihr mich aus dem Fluss gezogen habt.«
    »Ach, das ist doch nicht der Rede wert. Ich sah doch ohnehin sofort, dass Ihr schwimmen könnt.«
    »Fergus!« sagte Alicia und stand auf. »Kann ich mal mit dir sprechen?«
    »Aber sicher. Komm, machen wir einen kleinen Spaziergang!«
    . Sie schlenderten nach achtern und stellten sich an die Reling, auf die Ellbogen gestützt. Nach längerem Schweigen ergriff Reith das Wort: »Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Ich dachte schon, du hättest dich doch noch entschlossen, auf Kapitän Sarfs Angebot zurückzukommen.«
    »Aber Fergus! Wie kannst du so etwas nur denken!« »Nun ja, war ja nicht zu übersehen, wie du ihn heute Nachmittag umgarnt hast.«
    »Ich wollte dich bloß ein bisschen eifersüchtig machen, du Dummerchen! Und das heute Nachmittag tut mir wirklich leid. Ich wollte dich ehrlich nicht über Bord schubsen.«
    »Wenn das wahr ist, dann ist es dir jedenfalls hervorragend gelungen, das zu verbergen.«
    »Ich wollte dich lediglich zur Seite schieben und dir zeigen, dass ich mir nichts befehlen lasse.«
    »Du bist stärker, als du aussiehst – ein richtiges Kraftpaket. Ich darf gar nicht daran denken, was du mit jemand anstellen würdest, der dich wirklich schikaniert – oder besser, es versuchen würde.«
    »Oh, Fergus! Ich bin doch nun wirklich kein Roboter! Ich habe auch meine Gefühle, auch wenn ich manchmal etwas energisch werden muss, um mich in dieser harten Welt durchzusetzen.«
    »Ja?« fragte Reith in ironischem Tonfall.
    »Ja. Heute Nachmittag hatte ich eigentlich vorgehabt, dich zu fragen, ob du nicht Lust hättest, mich an Land zu begleiten. Ich dachte mir, wenn ich mit meinen Forschungen fertig wäre, könnten wir uns vielleicht an irgendeinem lauschigen Plätzchen außer Sichtweite des Schiffes ins Gras legen und Liebe machen. Aber mit deinem Herumgebrülle im Kasernenhof ton hast du mir wirklich jede Lust geraubt.«
    Reith hatte Situationen wie diese mit Alicia schon zu oft erlebt, um sich zu leicht besänftigen zu lassen. Er erwiderte: »Entschuldige, aber ich glaube, auch ich muss dich um Entschuldigung bitten. Ich muss gestehen, dass ich versucht habe, mich um dich genauso zu sorgen wie um meine Touristen. Und autoritäres Auftreten ist in der Regel der einzige Weg, wie ich die Dummköpfe vor Unheil bewahren kann. Okay, es wird nicht mehr vorkommen. Das nächste Mal, wenn du etwas tun willst, das dich möglicherweise Kopf und Kragen kostet, Frau Doktor Dyckman, werde ich mich nicht einmischen.«
    »Bist du immer noch sauer?«
    »N-nein, nicht direkt. Du solltest mich besser kennen. Ich gerate zwar nicht so schnell aus der Fassung wie du, aber wenn ich erst mal richtig sauer bin, dann dauert es auch eine Weile, bis ich wieder darüber weg bin.
    Aber jetzt will ich dir mal was sagen, Alicia.

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