Die Gebeine von Zora
Ich liebe dich immer noch, auch wenn ich mich in Zukunft davor hüten werde, zwischen dich und die Reling eines Schiffes zu geraten. Ich finde es ja schön, dass du so tierlieb bist, aber vielleicht solltest du deine Tierliebe nicht so weit treiben, dass du mich an einen Avval verfütterst.«
»Jetzt bist du gemein, Fergus! Als mir bewusst wurde, was ich da angerichtet hatte, habe ich eine Stunde lang geweint. Du weißt, wie ich es hasse zu weinen und wie ich es besonders hasse, wenn mich einer dabei sieht. Ich habe mich im Wald versteckt – ich, Alicia, die Superfrau, die alles bekommt, was sie sich in den Kopf gesetzt hat und die niemals eine Träne vergießt! Das war der Grund, weshalb ich erst so spät zum Schiff zurückgekommen bin, weil ich nämlich, als ich mich endlich ausgeheult hatte, unbedingt noch meine Interviews machen wollte.«
»Einen zerknirschten Eindruck hast du aber nicht gerade gemacht, als du an Bord kamst.«
»Weil ich doch schon wieder sauer war; diesmal wegen meines letzten Interviewpartners. Es war ein grober, arroganter Kerl, der, statt meine Fragen klar und präzise zu beantworten, mir pausenlos zweideutig-eindeutige Angebote machte und anzügliche Bemerkungen bezüglich meiner Anatomie vom Stapel ließ. Ich musste gute Miene zum bösen Spiel machen und ihm ständig um den Bart gehen, um verwertbare Antworten aus ihm rauszukitzeln. Als ich endlich mit ihm fertig war, war ich so stinksauer auf ihn, dass ich ihn am liebsten auf Sparflamme in Lazdais Kessel gegart hätte. Wenn du bei mir gewesen wärst, hätte er sich diese Frechheiten bestimmt nicht herausgenommen.«
»Ich habe dir ja angeboten, mitzukommen; aber du wolltest nicht.«
»Ich weiß. Ich war in dem Moment einfach zu wütend, um klar denken zu können. Und später hab ich dann meine ganze Wut an dir und Aristide ausgelassen, was wirklich echt fies von mir war. Warum tue ich bloß immer solche gemeinen Sachen?«
»Das weiß ich auch nicht«, sagte Reith. Er drückte sie an sich und spürte, wie sie leise an seiner Brust weinte. »Ich bin schließlich kein Psychiater.« *
»Ach, Mist!« sagte sie und wischte sich die Tränen mit dem Bett-Tuch ab. »Immer, wenn ich denke, ich genüge meinen eigenen hohen Maßstäben, dann kommst du daher und zerstörst mir mein ganzes schönes Selbstbewusstsein damit, dass du mich zum Heulen ’bringst.« Sie versetzte ihm einen scherzhaft gemeinten Rippenstoß. »Du bist der einzige in der ganzen Galaxis, der das fertig bringt. Und ich bin mir nicht schlüssig, ob ich dich dafür lieben oder hassen soll.«
»Einigen wir uns aufs Lieben. Das macht mehr Spaß.«
Am nächsten Morgen beim Frühstück sagte Reith: »Aristide, es wäre vielleicht besser, wenn du mit mir zum Büro von Sainians Agent kommst. Schnall dir dein Schwert um. Danach gehen wir gleich zum Bahnhof.«
»Oh, prima!« rief Alicia. »Ich komme auch mit. Wenn wir unser Geld haben, können wir einen kleinen Einkaufsbummel machen.«
»Nein, Schatz, du bleibst hier!« sagte Reith in einem Ton, der deutlich machte, dass er keinen Widerspruch duldete. »Die Geschäfte in Majbur sind viel besser als hier und vor allem billiger. Wenn wir erst dort sind, haben wir unbegrenzten Kredit, und dann kannst du dich nach Herzenslust dem Kaufrausch hingeben. Du bleibst hier, am besten hinter einer verriegelten Tür.«
»Das werde ich nicht tun! Ich bin es satt, eingesperrt zu sein wie eine Kriminelle!«
»Jetzt schrei nicht so! Bitte, lass uns darüber in unserem Zimmer diskutieren, wenn es schon unbedingt sein muss.«
Als sie allein auf ihrem Zimmer waren, sprühte Alicia vor Wut Funken. »Fergus Reith!« presste sie zwischen den Zähnen hervor. »Wenn du meinst, du könntest mich hier einsperren … Ich kenne mich in dieser Stadt nicht besonders gut aus, und ich will sie ein wenig erkunden und den Leuten Fragen stellen. Wenn du mich nicht dabei haben willst, dann gehe ich eben allein.«
»Um dich von einer Bande gedungener Kidnapper einfangen zu lassen, die nur auf eine solche Gelegenheit warten? Hast du eigentlich noch alle beisammen?«
»Mach dir meinetwegen mal keine Sorgen! Schließlich suchen sie dich und Aristide, nicht mich, vergiss das nicht! Aber was lasse ich mich eigentlich auf solche Diskussionen ein? Ich gehe, und damit basta; und wenn du versuchst, mich aufzuhalten …« Sie hob den Wasserkrug vom Waschtisch und wog ihn drohend in der Hand.
Mit schier übermenschlicher Anstrengung unterdrückte Reith die in ihm
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